Suchergebnisse
558 Ergebnisse gefunden mit einer leeren Suche
- Transformation braucht Mut
Veränderung im privaten und beruflichen Sinne sind das „New Normal“. Veränderungen, die von außen kommen, machen uns oftmals Angst und lähmen uns in unserem Tun und Denken. Im Idealfall initiieren wir selbst Veränderung, und reagieren nicht nur auf externe Einflüsse. Was hält uns also davon ab, einen neuen Kurs einzuschlagen und Veränderungen einzuleiten – auch dann, wenn vielleicht von außen betrachtet noch alles in Ordnung scheint? Was ist nötig, um auf unsere Instinkte zu hören, und auch unsere eigenen Paradigmen zu hinterfragen? Wie schaffen wir es, größer zu denken als es die Realität uns gerade vorgibt, oder die, die uns umgeben, gerade bereit sind sich vorzustellen? Mit einem Wort: Mut. Mut, beherzt Veränderungen einzuleiten und sie dann gegen Widerstände von anderen und auch gegen die eigenen Ängste durchzusetzen. Und Mut, unter Unsicherheiten zu entscheiden und mit Risiken zu leben. Warum haben gerade wir Frauen im Businessleben manchmal nicht den Mut, den Veränderungen brauchen? Aus 30 Jahren als Managerin und Unternehmerin in unterschiedlichen Konstellationen habe ich folgende Glaubenssätze entwickelt: 1. Meine Selbstbewusstheit und mein weiblicher Instinkt sind Stärken Wir sind dann gut, wenn wir nach unserer wahren Identität leben; nur dann sind wir imstande, „unser Bestes“ zu geben. Wenn wir aber versuchen Klischees zu entsprechen - aus Unsicherheit, dass unsere Intuition und unser Bauchgefühl nicht gut genug sein könnten - sind wir nicht authentisch und als Leader nicht glaubwürdig. Das eigene Bauchgefühl zu spüren und klare Intuition zu fühlen, schafft die notwendige Klarheit und das Selbstvertrauen unter Risiko zu entscheiden. Zu verstehen, dass sich dies individuell unterscheidet und ggf. anders ausdrückt, schafft den eigenen Zugang zu „Business Instinkten“, die unsere persönliche Überzeugungskraft und Souveränität ausmachen, um nicht nur mutige Entscheidungen zu treffen, sondern andere auch mitreißen zu können. Wahre Erfüllung („the flow“) spüre ich immer dann, wenn meine Selbstbewusstheit und mein Handeln synchronisiert sind, und das in allen Lebensbereichen. 2. Ja, Scheitern ist eine Option! Unser Umfeld urteilt oftmals schnell und hart. Gerade Frauen untereinander sind oft noch weniger großzügig. Die Kriterien des Erfolgs sind weitestgehend äußerlich und sie sind oft schwarz/weiß. Und wir wollen natürlich zu den Erfolgreichen gehören. Wenigen von uns ist in die Wiege gelegt, dass das Scheitern eine Sprosse auf der Erfolgsleiter ist und uns persönlich wie professionell wachsen lassen kann. Die Angst zu Scheitern nimmt uns Freiheit, Gelassenheit und die Ruhe, die Welle auch mal durch alle Höhen und Tiefen zu Ende zu reiten. Sie nimmt uns aber vor allem die Beharrlichkeit auf Kurs zu bleiben und an uns zu glauben. 3. Unsicherheit und Erfolg sind zwei Seiten der gleichen Medaille Unternehmertum setzt die Fähigkeit, Risiken einzugehen und vor allem auszuhalten, voraus. Wenn wir Veränderungen vorantreiben wissen wir meistens nicht, was wirklich alles auf uns zukommt. Mit Zuversicht und Ruhe kann dieser Unsicherheit insoweit begegnet werden, als dass in unseren Entscheidungen nicht unwägbare Risiken eingegangen werden, sondern das eigene, sehr individuelle Risikolevel befriedigt wird. Die Überzeugung, dass dies möglich ist und das Gefühl, dabei immer im „driver’s seat“ zu bleiben, hat mein Selbstbewußtsein gestärkt und meine Instinkte (s.oben) geschärft. 4. Konsequenz und Empathie sind vereinbar Ich dachte lange, ich muss mich entscheiden zwischen einem Leben als Managerin, die mutige und manchmal harte Entscheidungen trifft, und meinem Streben nach Verbundenheit mit meinen Mitarbeitern. Das war ein großer Irrtum. Wir können richtige Entscheidungen für das Unternehmen treffen, auch wenn sie für Menschen hart sind, und trotzdem „verbunden“ und „solidarisch“ sein, wenn wir gleichzeitig offen und ehrlich sind. Diese Einsicht hat mich sehr befreit und gestärkt. 5. Glauben Sie nicht alle, was Sie denken! Ich bin wie viele andere Frauen meiner Generation mit überkommenen Denkmustern sozialisiert - zusammengefasst in der westfälischen Weisheit „zu gut schafft Neider, zu schlecht schafft Mitleid“ – Impostor lässt grüßen. Wichtig ist für mich immer zu erkennen, sobald ich selbst in diese Denkmuster verfalle und einen Schritt zurück machen muss. Seine eigenen Überzeugungen zu kennen, zu Ihnen zu stehen und auch durchzusetzen, ist sehr erfüllend und erfordert Mut. Dies bezieht sich nicht nur auf Verhandlungen, sondern auch auf meine persönlichen Einschätzungen und Bewertungen von geschäftlichen und sozialen Zusammenhängen. 6. Visionär denken und kommunizieren ist der Schlüssel zum Erfolg Veränderung braucht ambitionierte Ziele, um eine Organisation in Bewegung zu setzen. Ein solches „Bild zu malen“, auch wenn noch nicht alles mit Inhalten gefüllt ist, und immer wieder als eigene Vision zu kommunizieren, braucht vor allem dann Mut, wenn wir anfangs alleine dastehen. Es wird nicht alles glatt gehen, das ist der Lauf des Geschäftslebens. Sich selbst jedoch die Eignung zuzusprechen, eine solche Vision zu entwickeln und artikulieren zu können, ist letztendlich der große Meilenstein im Wachstum und Selbstverständnis als Führungspersönlichkeit und Transformatorin. Mutig zu sein, seinen Instinkten zu trauen, Risiken bewußt einzugehen und dabei mit authentischer Empathie Menschen mitreißen zu können, ist nicht gottgegeben, sondern das Ergebnis persönlichen Wachstums und auch mit Rückschlägen verbunden. „Normality is a paved road: it is comfortable to walk, but no flowers grow on it.” - Vincent van Gogh Über die Autorin: Die Hamburgerin Astrid Schulte übernahm 2017 den Vorstandsvorsitz und Gesellschafteranteile der 180 Jahre alten Berendsohn AG. Vor diesem Kapitel agierte sie als Geschäftsführerin und Partnerin des Modelabels bellybutton und hält weiterhin ihre Position als Beirätin der Ludwig Görtz GmbH. Ihre vielfältigen Erfahrungen in Geschäftsführungspositionen in Startups (payback) und Konzernen (z.B. Richemont) unterstützen die Mutter von drei Kindern in ihrer Mission, den mittelständischen Werbeartikelvertrieb Berendsohn mithilfe von New Work-Konzepten und digitaler Disruption in einen nachhaltig erfolgreichen Full-Service Marketingdienstleister zu entwickeln.
- Warum Vorständ:innen in Deutschland kein Vorbild sein können
Am 11. Februar 2021 schrieb die 31-Jährige Whitney Wolfe Herd Geschichte und sorgte dafür, dass ein Bild um die Welt ging, das für Millionen Frauen eine unglaubliche Strahlkraft entwickelt hat. Wolfe Herd brachte nicht nur ihr Unternehmen „Bumble“ an die amerikanische Tech-Börse NASDAQ und wurde damit zur jüngsten self-made Milliardärin der Geschichte der USA, sie feierten den historischen Moment auch mit ihrem einjährigen Sohn auf dem Arm. Eine Multi-Billion Dollar CEO mit einem Baby auf dem Arm – dieses Bild verbreitete sich viral und sorgte auch in Deutschland für viel Aufmerksamkeit. Nicht zuletzt, weil wir auf solche Aufnahmen noch lange warten müssen, jedenfalls wenn es nach der aktuellen Rechtslage geht. Dabei wird der Stereotyp des deutschen Vorstandsmitgliedes – männlich, Ü50, die Familienplanung längst abgeschlossen – auch hierzulande langsam aber dennoch zunehmend aufgebrochen. Rechnet man die bereits für dieses Jahr beschlossenen und bekannt gegebenen Neubesetzungen von Vorstandsposten mit Frauen hinzu, beträgt der Frauenanteil im Dax 16,9 % – die größte jährliche Steigerung innerhalb der letzten zehn Jahre. Und auch die kürzlich beschlossene Frauenquote soll dafür sorgen, dass deutsche Vorstandsetagen weiblicher werden. Zudem gehen in Deutschland vermehrt junge Technologieunternehmen an die Börse. Das kann für die oftmals verhältnismäßig jungen Gründer den Fast-Track in Richtung Vorstand eines börsennotierten Unternehmens bedeuten. Daneben sorgen gezielte Förderprogramme in Konzernen dafür, dass Karriereleitern schneller erklommen werden können. Dadurch nehmen immer mehr junge Frauen und Männer Posten in Leitungs- oder Kontrollgremien ein, nichts ahnend, dass ein Vorstandsmandat eine rechtliche Fesselung hinsichtlich zeitgemäßer Familienambitionen bedeutet. Dabei möchte gerade diese Generation mit veralteten Rollenbildern und gläsernen Decken brechen. Die junge Generation weiblicher und männlicher CEOs und Vorstände will sich partnerschaftlich zu Hause stärker einbringen und kein dauerabwesendes Familienmitglied alter Prägung mehr sein. Zudem wissen viele aus eigener Erfahrung, welchen Mehrwert divers besetzte (Führungs-)Teams mit sich bringen. Das hört auch mit dem Gang auf das Frankfurter Parkett nicht auf. Wäre da nur nicht das Problem mit der Vereinbarkeit: Weibliche und männliche Vorstandsmitglieder sind nach dem deutschen Recht keine Arbeitnehmer. Sie haben somit keinen Anspruch auf beispielsweise Mutterschutz oder Elternzeit. Das Aktiengesetz, das die Rechte und Pflichten von Vorstandsmitgliedern regelt, kennt keine entsprechenden Mandatspausen. Kann ein Vorstandsmitglied seine Aufgabe aufgrund der Geburt eines Kindes oder längerfristiger Krankheit nicht wahrnehmen, gibt es nach aktueller Rechtslage keine Möglichkeit einer vorübergehenden Befreiung von den Vorstandspflichten. Zwar können Aufsichtsrat und Vorstand einvernehmlich eine sogenannte Dienstbefreiung vereinbaren, gleichwohl wird das betroffene Vorstandsmitglied für diese Zeit nicht von seiner Haftung befreit. Das „pausierende“ Mitglied trifft nach dem Aktienrecht weiterhin eine Überwachungspflicht. Will ein Vorstandsmitglied einer zivilrechtlichen Haftung sowie ggf. auch einer strafrechtlichen Verantwortlichkeit, z.B. wegen Verletzung der Insolvenzantragspflicht, entgehen, bleibt nur die Niederlegung des Amtes. Ist das Vorstandsmandat einmal niedergelegt, gibt es kein Rückkehrrecht. Das betroffene Vorstandsmitglied ist auf die Gunst des Aufsichtsrates angewiesen, um nach einer Pause wieder auf seinen Posten berufen zu werden. Dieser Weg kann sich als Sackgasse erweisen. Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, dass Vorstandsmitglieder in der Praxis lieber die bestehenden Haftungsrisiken in Kauf nehmen als ihr Mandat niederzulegen - und dieses Risiko nur in absoluten Ausnahmefällen eingehen. Dass die Problematik sich bis jetzt unterhalb des Radars der öffentlichen Wahrnehmung bewegte hat jedoch noch einen weiteren Grund: Um nicht als vermeintliche Schwächen wahrgenommen zu werden, werden Schwangerschaften oder längerfristige Krankheiten von Vorstandsmitgliedern in der externen Unternehmenskommunikation häufig unter den Tisch gekehrt und beispielsweise als Sabbatical getarnt. Wir haben somit nicht nur rechtlich, sondern auch kommunikativ noch einen langen Weg vor uns. In den goldenen Türmen deutscher Vorstandsetagen ist zurzeit noch kein (rechtlich abgesicherter) Platz für die menschlichen Themen der Konzernlenker. Die Initiative #stayonboard will das deutsche Dilemma des familienfeindlichen Vorstandsrechts ändern. Seit März 2020 fordern die InitiatorInnen ein Recht für Vorstandsmitglieder, ihr Amt bei längerfristiger Abwesenheit aufgrund der Geburt eines Kindes, Elternzeit, längerfristiger Krankheit oder Pflege von Angehörigen temporär ruhen lassen zu können, ohne persönlichen Haftungsrisiken ausgesetzt zu sein. Bei dem konkreten Vorschlag zur Gesetzesänderung werden auch die besondere Verantwortung eines Vorstandsmitgliedes sowie die Interessen der Unternehmen berücksichtigt, unter anderem indem die Auszeit auf eine gesetzlich festgelegte Höchstdauer von maximal sechs Monaten begrenzt sein soll. Ein wesentlicher Punkt, den die Initiative fordert, ist, dass das Mandat im Anschluss an die Ruhezeit automatisch wiederaufleben soll. Das gibt dem Vorstandsmitglied und dem Unternehmen die erforderliche Planungssicherheit. Daneben sollen konkrete Ausnahmesituationen definiert werden, die sicherstellen, dass ein Vorstandsmitglied ein Ruhenlassen nicht verlangen kann, wenn diesem gewichtige Gründe des Unternehmenswohls entgegenstehen. Durch die Einschränkungen wird deutlich, dass es nicht das Ziel ist Vorstandsmitgliedern die gleichen, weitreichenden Rechte wie Arbeitnehmer:innen einzuräumen. Vielmehr soll ihnen ein mit der besonderen Verantwortung ihrer Position im Einklang stehender Weg ermöglicht werden, Familie und Beruf vereinbaren zu können. Der Vorstoß von #stayonboard ist auf breite Unterstützung aus der Wirtschaft gestoßen. Unternehmer:innen wie etwa Dieter Zetsche (ehemaliger Vorstandsvorsitzender Daimler AG), Tina Müller (CEO Douglas Group) und Dr. Sigrid Nikutta (Vorstand Güterverkehr Deutsche Bahn AG) bekannten sich als offizielle Unterstützer zu der Initiative, deren Forderungen auch von der Politik aufgegriffen wurden. Nach parteiübergreifender Zustimmung zum Vorhabens wurde am 1. März 2021 ein Referentenentwurf des Bundesjustizministeriums veröffentlicht, der einen ersten Vorschlag für eine entsprechende Regelung enthält. Das Papier, das derzeit die regierungsinterne Ressortabstimmung durchläuft, geht den Intiator:innen und Unterstützer:innen von #stayonboard jedoch nicht weit genug, denn es enthält eine wesentliche Einschränkung: Die Entscheidung über die Gewährung einer Auszeit sowie die erneute Bestellung nach der Ruhezeit obliegen demnach dem freien Ermessen des Aufsichtsrates. Ein gesetzlicher Rechtsanspruch auf eine familien- oder krankheitsbedingte Auszeit bestünde für das Vorstandsmitglied nicht. Somit ist die Hürde für die Inanspruchnahme dieser Kann-Lösung nach wie vor hoch und es ist fraglich, ob sie zu einer tatsächlichen Verbesserung der Lage führen würde. Durch die genannten Einschränkungen und die damit für das Vorstandsmitglied verbundene Unsicherheit ist davon auszugehen, dass von der im Referentenentwurf formulierten Regelung nur in absoluten Ausnahmefällen Gebrauch gemacht werden würde. Ziel des Gesetzes sollte es jedoch sein, männlichen und weiblichen Vorstandsmitgliedern durch eine entsprechende Formulierung die erforderliche Sicherheit zu geben, sich auch außerhalb absoluter Härtefälle in den genannten Situationen eine familienbedingte Auszeit nehmen zu können. Nur so können wir den gesellschaftlichen Wandel hin zu einer selbstverständlichen Vereinbarkeit von Familie und Beruf auch in die Führungsetagen tragen. Auch aus den Reihen der Politik wurde bemängelt, dass die vom Bundejustizministerium vorgeschlagene Regelung durch die vagen Formulierungen einer Worthülse gleicht. In den weiteren Abstimmungen des Gesetzesentwurfs mit den Ministerien soll die Regelung nun insbesondere durch das Einfügen eines Rechtsanspruches auf eine entsprechende Ruhezeit nachgeschärft werden. Somit könnte noch in dieser Legislaturperiode ein starkes Zeichen für die Modernisierung des Aktienrechts gesetzt werden. In unser nach Gleichstellung strebenden Gesellschaft ist es längst überfällig, dass wir die rechtliche Grundlage dafür schaffen, dass es in Führungspositionen als selbstverständliches Recht beider Elternteile angesehen wird, sich für einen bestimmten Zeitraum um die Familie kümmern zu können. Die Botschaft, die dadurch vermittelt wird, ist das, woran es in der öffentlichen Wahrnehmung und den gelebten Unternehmenskulturen noch mangelt: Es ist auch als Vorstandsmitglied möglich, für einen vorübergehenden Zeitraum von der Verantwortung zurückzutreten, um sich um seine Familie zu kümmern ohne um sein Amt oder Ansehen fürchten zu müssen. Denn eine privat bedingte Auszeit darf nicht mehr mit Schwäche oder mangelndem Verantwortungsgefühl konnotiert werden. Wenn wir es wirklich ernst meinen mit dem Wunsch nach Gleichstellung, wenn wir in Zukunft mehr Frauen in deutschen Vorstandsetagen und mehr Männer als Vorbilder für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie sehen wollen, müssen wir die Gesetzeslage entsprechend anpassen. Damit auch VorständInnen zu wahren Vorbildern werden können. Über die Autorin Dr. Sophie Pollok ist Rechtsanwältin und Unternehmerin. Sie hat für eine internationale Wirtschaftskanzlei Investoren, Fonds und Startups bei Venture Capital und M&A Transaktionen beraten, bevor sie 2019 ihr eigenes Beratungsunternehmen gründete. Zudem ist Dr. Sophie Pollok General Counsel von Choco.
- Zwischen den Welten
Wann werden eigentlich unsere Gespräche nicht mehr ausschließlich von Corona dominiert? Wir sind so gefangen in der aktuellen Katastrophenbewältigung, dass notwendige Strategien für ein Leben nach oder mit Corona fehlen. Vor zwei Jahren bin ich in Amerika angekommen. In vielem fällt mir auf wie ausgeprägt viele meiner deutschen Werte doch sind, an anderer Stelle hat sich mein Denken und Handeln verändert. Kurz nach meiner Ankunft stimmte ich zu, als mir gesagt wurde, das Tragen von Sportleggings sei der Anfang vom Ende. Heute halte ich das Kleidungsstück durchaus für salonfähig. Und selbst Birkenstocks wurden quasi über Nacht zu Louis Vuitton Schlappen. In mancherlei Hinsicht blicke ich nun von außen auf mein Heimatland. Was mich zurzeit sehr beschäftigt ist, wie unterschiedlich die Menschen in Deutschland und Amerika mit Krisen umgehen. Hier wie dort gibt es natürlich Menschen, die besser oder schlechter mit der Angst, Unsicherheit und persönlichen Einschränkungen umgehen. Oder auch gar keine Angst empfinden und sich nicht einschränken lassen. Eine spring-break feiernde Party-Crowd hat gerade eindrucksvoll bewiesen, dass trotz der erfreulichen nationalen US-Impflage ein explosionsartiger Anstieg der Fallzahlen mit einem Durchschnittsalter von 30 hinsichtlich der Neuinfektionen möglich ist. Good job, everybody! Mit ein bisschen Glück schafft ihr es, euren Beitrag zur globalen Gerechtigkeit zu leisten und auch in Amerika eine weitere Welle auszulösen. Und dennoch nehme ich in den USA einen anderen Umgang mit der Corona-Müdigkeit, dem mentalen Krisenmodus, wahr. Es entwickelt sich eine Vision wie die Zukunft aussehen könnte. Die im Ländervergleich besser laufende Impfstrategie und das sich abzeichnenden Wirtschaftswachstum bilden dafür wichtige Säulen. Aber auch in Amerika musste eine gewisse Fassungslosigkeit und Enttäuschung in Bezug auf politische Entscheidungen überwunden werden. Die Starre, die viele in Deutschland gerade empfinden, weicht auch hier nur langsam. Irgendwann wird auch in der Bundesrepublik der Tag kommen, an dem mehr Impfstoff zur Verfügung stehen wird, als es impfbereite Menschen gibt. Doch was dann? Wir dürfen uns nicht der Illusion hingeben, dass wir, wenn für viele, aber lange nicht alle Menschen die unmittelbare Gefahr gebannt ist, eine prä-pandemische Normalität erleben werden. Auch wenn viele wieder gewonnene Freiheiten zunächst eine große Euphorie auslösen werden. Die wirtschaftlichen Verluste, Kinder und Jugendliche, die den akademischen und sozialen Anschluss verloren haben, ein enormer Anstieg an Drogen- und Onlinespielsüchtigen und die angeschlagene mentale Gesundheit vieler Menschen könnten zur nächsten großen Krise werden. Zurück bleibt ein Trauma für das dringend Bewältigungsstrategien hermüssen. Ein Vorteil der USA war es, dass sich die neue Regierung auf die Zeit nach dem Impfstart sehr intensiv vorbereiten konnte, ohne sich um den politischen Corona Alltag kümmern zu müssen. Die Biden Administration hat bereits in der Zeit zwischen Wahlsieg und Amtsantritt einen exakten Plan entwickelt, wie die Zukunft aktiv gestaltet werden soll. Ein ausufernder Springbreak kam in diesem Plan wahrscheinlich nicht vor und zeigt neben vielem anderem, dass selbstverständlich auch die USA weit entfernt von einer optimalen nationalen Strategie sind. Und, dass im schlimmsten Fall, auch immer weniger Menschen bereit sind, sich an Pandemieregeln zu halten oder mit gesundem Menschenverstand zu agieren. Im Vergleich bin ich übrigens tatsächlich schon überrascht, wie gut das in Deutschland funktioniert. Diese Solidarität ist aus meiner Sicht eine ganz große Stärke. Amerika ist dafür bekannt, aus Krisen schnell gestärkt hervorzugehen. Der klare Blick nach vorne ist hierfür eine wichtige Ursache. Jetzt ist es Zeit sich um die Zukunft zu kümmern! Im September wird auch in Deutschland eine neue Führung übernehmen. Die Frage ist, wie werden sich die Parteien in Erwartung an einen Wahlsieg vorbereiten? Jeder weiß wie entscheidend die berühmten ersten 100 Tage für den langfristigen Erfolg sind. Vor allem werden eine neue Bundeskanzlerin und ihr Regierungsteam der sehr schweren Aufgabe gegenüberstehen, eine Vision für die Zukunft zu entwickeln an der sich große Teile der Gesellschaft orientieren können. Es geht aber auch um unsere persönliche Strategie. Wir brauchen eine eigene Vision, wenn wir diese Zeit verarbeiten wollen. Viele Menschen berichten, dass es ihnen einfach zu viel wird, es fehlt an Kraft, an Zuversicht und an Perspektive. An der Yale Universität wurde 2018 ein Kurs angeboten, der intern als „The Yale happiness class“ betitelt wurde. Die Vorlesung wurde zur bestbesuchten in der 320-jährigen Universitätsgeschichte, nur wenig später wurde eine kostenlose digitale Version über Coursera angeboten. Hundertausende entschieden sich das Zehn-Wochen-Programm zu absolvieren. Einen ungeahnten Boom erlebt es aber seit Beginn der Corona Krise, mehr als 3,3 Millionen Menschen haben sich bisher angemeldet. Ob dieser Kurs uns zu dem (zurück) führt, was glücklich macht, kann ich nicht beurteilen. Ich würde es fast bezweifeln, sehe in der starken Frequenz aber ein Anzeichen darin, dass viele Menschen gerade händeringend nach einer Art Leitfaden suchen. Wir sollten ganz eigenständige Strategien entwickeln, wie wir unsere Zukunft gestalten wollen. Und vor allem wird es entscheidend sein sich Hilfe zu holen, wenn dies allein nicht mehr gelingt. Die Regierung muss diese Hilfe bereitstellen aber auch die Kommunen müssen dringend ihre Verantwortung erkennen und wahrnehmen. Deutschland hat seine klaren Stärken. Das gerät aktuell sicherlich in Vergessenheit, wird einem aber sehr bewusst, wenn man im Ausland lebt. Für den Herbst braucht es Impulse, Aufbruchsstimmung, ein neues Bewusstsein. Sehr viele Strukturen sind da und funktionieren. Darauf kann Deutschland immer noch stolz sein. Und wo sie fehlen, da besteht jetzt die Chance es anzupacken. Und ich gebe jetzt einmal ein gewagtes Versprechen ab: Die nächste Kolumne muss ohne Corona auskommen. Über die Autorin: Als erstes die Vision, dann der Weg. Die Hamburgerin Sarah Wiebold war zehn Jahre Geschäftsführerin im familieneigenen Unternehmen. Anfang 2019 entschied sie sich mit ihrer Familie in die USA auszuwandern. Mit Blick auf New York lernt sie nicht nur Land und Leute zu verstehen, sondern verwirklicht ihren Traum in Amerika ein Unternehmen zu gründen. Mit ihrer Chocolaterie Little Lotta Love will sie den US-Markt von europäischer Confiserie Kunst begeistern. Bei uns und auf ihrem Instagram Account ahoi.newyork schreibt sie über Traum und Wirklichkeit sowie Leben und Unternehmensgründung als Deutsche in Amerika.
- Warum gibt es so wenige Female Unicorns?
Der mit viel Symbolik durchwobene Zeichentrickfilm "The last unicorn" von Jules Bass und Arthur Ranking hat unsere Vorstellung von Einhörnern über Jahrzehnte hinweg wesentlich geprägt. Wer den Film gesehen hat, war überzeugt: Einhörner sind weiblich. Diese etwas kitschige Phantasie hält der Realität allerdings nicht stand. Denn die einzigen, real existierenden Einhörner im Jahr 2021 sind Unternehmen mit einer Bewertung von mindestens einer Milliarde US-Dollar. Und die sind überwiegend männlich. Laut CB Insights gibt es derzeit weltweit 591 Unicorns (Stand 8. März 2021). Darunter auch 16 deutsche, wie beispielsweise Auto1 Group (zählt seit dem Börsengang nicht mehr als Unicorn), Celonis, Get Your Guide, Lilium Aviation, Personio oder Wefox Group. Neben ihrer hohen Bewertung haben diese großartigen Unternehmen einen weiteren gemeinsamen Nenner: Gründerteams und Unternehmensspitze haben überwiegend den Gender Status ‚male‘. Lediglich bei Mambu stößt man auf eine weibliche Mit-Gründerin. Damit hat nur eins von 15 Einhörnern eine Frau im Gründerteam. Gender Diversitiy im Unicorn Universe? Fehlanzeige. Woran liegt's? Demographische Ursachen scheiden jedenfalls aus. Laut Statista überwiegt derzeit nicht nur leicht der Anteil der weiblichen Bevölkerung, auch bei den Hochschulabsolvent:innen haben Frauen die Nase vorn. Das heißt: Grundsätzlich gibt es genügend gut ausgebildete Frauen. Woran liegt's dann? Denken Frauen zu klein, sind ihre Ideen keine millionenschweren Investments wert? Die Ursachen sind sicherlich vielschichtiger. Ohne Female Founders, keine female Unicorns Ein renommiertes Wirtschaftsmagazin prägte vor einiger Zeit im Zusammenhang mit der Startup Szene die Begriffe „boy bands“ und „Herrenzirkel“. Vor allem der Begriff „Herrenzirkel“ scheint antiquiert und unpassend für ein junges, innovatives Unternehmertum. Letztlich brachte die Berichterstattung aber plakativ auf den Punkt, was weder für eine moderne Gesellschaft noch ein visionäres Unternehmertum adäquat ist: Laut Studie der Boston Consulting Group (BCG) werden lediglich vier Prozent der deutschen Startups ausschließlich von Frauen, aber 86 Prozent ausschließlich von Männern gegründet. Nur zehn Prozent haben einen Gender Mix im Gründerteam. Ausgewertet wurden 15.000 Jungunternehmen und 27.500 Gründer:innen. Im 19. Jahrhundert hätten diese Zahlen wenig überrascht. Aber im 21. Jahrhundert und bezogen auf westliche Industrienationen – da staunt man! Bei etablierten Unternehmen sieht es nicht besser aus: Der Frauenanteil in Vorständen der 100 größten börsennotierten Unternehmen Deutschlands liegt derzeit bei 10 Prozent laut BCG. Trotzdem enttäuscht die Gender Gap Startup besonders, denn diese jungen, innovativen Unternehmen, die ganze Märkte und Industrien revolutionieren müssten Gender Parität eigentlich besser drauf haben, als die Unternehmen ihrer Väter und Großväter. Viele Startups treibt die Vision an, Leistungen oder Produkte durch Digitalisierung leichter zugänglich zu machen und damit letztlich zu demokratisieren. Wäre doch klasse, wenn man sich neben der Demokratisierung des Konsums auch die Gender Parität mit auf die Fahne schreiben würde. Gender Parität hat nichts mit Feminismus a la Alice Schwarzer zu tun. Hier geht es ganz konkret um ein ungenutztes Potenzial an Talenten mit erheblicher ökonomischer Bedeutung. Der Blick ins Ausland verrät, dass es auch anderswo mit der Parität hapert. In Großbritannien und Frankreich herrscht ein ähnliches Bild und der 2020 Women in US Technology Leadership Report der Silicon Valley Bank offenbart, dass lediglich 14 Prozent der US-Startups einen weiblichen CEO haben. Damit herrschen global suboptimale Grundvoraussetzungen für female Unicorns. Frauen, mögt ihr kein Tech? CB Insights hat das globale Unicorn Universe in 15 Kategorien bzw. Branchen geclustert: Diese reichen u.a. von Künstliche Intelligenz, E-Commerce, Fintech, Internetsoftware & Services bis hin zu Mobile und Auto & Transport. Die meisten Unicorns haben also in irgendeiner Form mit Technologie zu tun. Sind Frauen deshalb so rar? Machen sie einen Bogen um Tech? Laut B2B SaaS Venture Capital Unternehmen Notion Capital, werden nur 21 Prozent der B2B-Einhorn-Tech-Unternehmen in Europa und den USA von Frauen geführt. Allein den Unternehmen den schwarzen Peter zuzuschieben, greift aber zu kurz. Tatsächlich scheinen Frauen andere Themen zu bevorzugen. So studieren in Deutschland gut doppelt so viele Männer als Frauen in MINT-Fächern (Quelle: Statista). Anstatt Informatik oder Mechatronik studieren sie eher Rechtswissenschaft, Germanistik, Psychologie und Pädagogik. Geschlechterstereotype spielen also weiterhin eine Rolle und Psychologen sind sich einig: Wer glaubt, dass Geschlechterbilder überholt sind, liegt falsch. Frauen gelten weithin als empathische, emotionale, musische Menschen und Männer als rational, technisch interessiert und erfinderisch. Diese tief verwurzelte Haltung beeinflusst natürlich den Frauenanteil bei Tech-Einhörnern. Notion Capital fand auch heraus, dass Frauen bei B2B-Tech-Unicorns nicht nur seltener anzutreffen sind, sondern auch nur halb so lange bleiben. Die durchschnittliche Betriebszugehörigkeit weiblicher Führungskräfte betrage nur 1,78 Jahre, die ihrer männlichen Kollegen 2,66 Jahre. Zudem würden Frauen nur 34 Prozent der gesamten Belegschaft stellen. Damit technologische Zukunftsbranchen von Gender-Diversitiy profitieren können, ist es daher notwendig, Frauen verstärkt für Tech-Themen zu begeistern und bewusst zu akquirieren. Die 51-jährige Facebook-Co-Geschäftsführerin Sheryl Sandberg trifft daher mit ihrer "Lean in" Initiative den Nerv. Venture Capitals, mögt Ihr keine Frauen? Der female Founder Monitor offenbart: Nur 5,2 Prozent der Frauen-Teams haben bereits eine Million Euro oder mehr erhalten –bei den Männer-Teams sind es hingegen 27,8 Prozent. Und das obwohl manche behaupten, weibliche Gründerinnen brächten einen um 35 Prozent höheren Return on Investment. Beim Venture-Capital-Fonds First Round Capital war die Performance von Startups mit weiblicher Führung sogar um 63 Prozent besser. Trotz besserer Performance kein Geld? Wird etwa nach dem Motto men-promote-men finanziert? Ein Prinzip, das psychologisch durchaus erklärbar ist: Man investiert dann, wenn man dem Team zutraut, ein erfolgreiches Unternehmen aufzubauen. Und einem Gegenüber, mit dem wir uns selbst identifizieren, vertrauen wir instinktiv eher. ‚Männlich und weiß‘ investiert demnach unbewusst eher ins entsprechende Pendant. Unter dieser Prämisse erscheint dann auch der Satz von Herrn Maschmeyer, mit der er in einer TV-Sendung ein Investment für das weibliche Gründerteam Ooia (ein Startup für Periodenunterwäsche) ablehnte, weniger irritierend: „Es ist kein typisches Männerprodukt, ich empfehle, eine Frau als Investorin zu gewinnen.“ Sicherlich weiß Herr Maschmeyer, dass 50 Prozent der Konsumenten:innen weiblich sind und Männer auch in Frauenprodukte investieren dürfen. Auf meiner Suche nach den Ursachen für die Gender Gap Unicorn, habe ich auch weibliche Gründerinnen befragt. Seit über zehn Jahren unterstütze ich Startups bei ihrer Öffentlichkeitsarbeit und helfe ihnen, Bekanntheit zu erlangen. Dabei habe ich natürlich viele Gründerinnen kennengelernt. Die meisten sehen sich übrigens keineswegs als benachteiligt. Viele haben mir gesagt, bei Investoren zählten in erster Linie Überzeugungskraft und ein gutes Konzept. Also ist´s möglich, das mit den female Unicorns und ich beende diesen Artikel mit dem Aufruf: Frauen, ran an den Speck – das nächste Einhorn trägt Periodenunterwäsche! Über die Autorin Miriam Piecuch, Juristin und Gründerin der auf Technologie spezialisierten Boutique-PR-Agentur public performance mit den Schwerpunkten Mobility, Health und E-Commerce startete ihre Karriere zunächst mit Lifestylethemen, eine typische Frauenbranche, bevor sie sich vor gut 10 Jahren sich auf Wirtschafts- und Tech-PR spezialisierte.
- Brauchen wir einen Gender-Knigge?
Ich müsste schon lange suchen, um Personen zu finden, die sich vorschreiben lassen, wie sie sprechen sollen. Ein Glück! Schließlich ist unsere Art zu sprechen Ausdruck unserer Persönlichkeit. Es muss mir nicht gefallen, wenn jemand intellektuelle Schachtelsätze aneinanderreiht oder im Capital Bra-Stil über das Leben philosophiert. Ein Sprech-Knigge für alle? Bitte auf keinen Fall! Es gibt aber Grenzen, die im sprachlichen Umgang miteinander Beachtung finden sollen, ja müssen. Und dann sind wir eben doch bei Knigge: Adolph Freiherr Knigge veröffentlichte 1788 nämlich keinesfalls einen Benimmratgeber. Vielmehr lautet der Originaltitel „Über den Umgang mit Menschen“ und das Werk beschäftigt sich mit guten Umgangsformen. Für ihn, der von den Idealen der Aufklärung geprägt war, beruhen die Regeln des gegenseitigen Umgangs auf Moral und Weltklugkeit und darauf, einander nur das zuzumuten, was man selbst auf sich nehmen würde. Nun, 233 Jahre später, sind die gesellschaftspolitischen Ziele der Aufklärung – persönliche Handlungsfreiheit, Bildung, Bürgerrechte, allgemeine Menschenrechte und das Gemeinwohl als Staatspflicht – bei uns längst nicht mehr Gegenstand von Diskussionen. Und da wundert es mich dann doch, dass die Diskussion um einen geschlechtersensiblen Umgang mit Sprache so häufig um die Frage des „Ob“ kreist. Sprache ist ein mächtiges Werkzeug. Sie drückt aus, wie wir die Welt sehen – sie beeinflusst unser Denken und damit unser Handeln. Ein gleichberechtigter und diskriminierungsfreier Umgang miteinander beginnt daher mit einem sensiblen Umgang mit Sprache. Oder anders formuliert: Sprache, die nicht geschlechtersensibel eingesetzt wird, diskriminiert Die Beispiele sind hinlänglich bekannt: Männliche Formen, z.B. bei Berufstiteln (Geschäftsführer, Arzt, Pilot, Briefträger, Experte, ...) lösen bei Zuhörer:innen automatisch männliche Konnotationen aus und führen zu einer faktischen Benachteiligung von Frauen. Sie fühlen sich durch diese Begriffe nicht in gleicher Weise angesprochen. Sagen wir also statt „Chef“ oder „Putzfrau“ künftig „Führungs- und Reinigungskraft“, so erkennen wir automatisch, wie facettenreich die jeweilige Berufsgruppe sein kann und schließen Menschen aller geschlechtlichen Identitäten ein. Keine Frage des OB - mit kreativer Lust auf's WIE! Die optisch auffälligste Form geschlechtersensibler Sprache ist die Nutzung eines Sonderzeichens, wie beispielsweise des Doppelpunktes oder des Sternchens. Diese – von manchen (noch) als störend empfundene – Möglichkeit, geschlechterumfassende Wörter zu schaffen, ist nur eine Variante. Hier hat das Sonderzeichen die Funktion, die männliche und die weibliche Form abzubilden sowie durch das Zeichen in der Mitte alle weiteren geschlechtlichen Identitäten einzubeziehen. Beispiele sind Leser:in oder Mitarbeiter:in. Gesprochen werden diese Wörter mit einer kurzen Pause an der Stelle des Zeichens. Diese Pause wird (stimmloser) glottaler Plosiv oder Glottalstop genannt und ist uns allen aus Begriffen wie Theater, Hebamme, Spiegelei, etc. geläufig. Ganz viel Raum für kreativen Umgang mit Sprache bieten geschlechterneutrale Formulierungen. Die Entwicklung, die hier zu sehen ist, ist beeindruckend. Wörter wie „Mitarbeitende“ haben es in kurzer Zeit in den Wortschatz unserer Organisation geschafft und werden inzwischen völlig selbstverständlich genutzt. Ob geschlechterneutrale Substantive (Elternteil statt Mutter/Vater), der Gebrauch von Ableitungen (Führungskraft statt Chef:in), die Nutzung von Pluralformen (die Studierenden) oder Umschreibungen (Die betroffene Person statt Der Betroffene) – wo ein Wille, da eine Formulierung. Wir alle können gemeinsam daran mitwirken, Sprache zu gestalten. Eine Frage der Einstellung - nicht der Komplexität. Zugegeben: Nur weil ich finde, dass eine Formulierung verständlich klingt, bedeutet das noch lange nicht, dass sie beispielsweise in einem Vertragsentwurf so Eingang finden sollte. Und natürlich fällt mir auch nicht immer eine gute Formulierung ein. Inzwischen gibt es jedoch zahlreiche Websites, wie www.genderleicht.de oder https://geschicktgendern.de , die Hilfe bieten. Und so einen bedeutenden Beitrag zum Austausch über und der Etablierung von Formulierungen leisten. Für unsere Organisation haben wir einen Leitfaden für den Umgang mit geschlechtersensibler Sprache verfasst. Schon längst wurde in unserer Unternehmensgruppe darauf geachtet, geschlechtersensibel zu kommunizieren. Jedoch fehlte uns allen bei diesem noch recht neuen Thema eine gemeinsame Grundlage. Diese Lücke füllen wir mit Tipps, Beispielen und Erklärungen auch für Anreden in mündlicher und geschriebener Form, für E-Mail-Kommunikation und Stellenausschreibungen. Anders als ein Gender-Benimm-Knigge soll dieser Leitfaden eine Einladung zum kreativen Umgang mit Sprache sein. Gerade wir Menschen in der Kommunikations- und Medienbranche haben aus meiner Sicht eine zentrale Rolle: Wir können mit Kreativität lesenswerte, verständliche, diskriminierungsfreie und inklusive Wörter und Formulierungen finden. Wir können Anregungen und Inspirationen liefern, die jede:r entsprechend der eigenen Persönlichkeit und des eigenen Sprachgebrauchs nutzen und weiterentwickeln kann. Übrigens: Mein persönlicher Lieblingstipp lautet „Frauen sprechen von sich in der weiblichen Form“. Klingt logisch? Na dann, los! Und was kommt dann? Zum guten Umgang miteinander gehört auch, dass Informationen allen zugänglich sind. Also auch Menschen mit körperlichen oder kognitiven Einschränkungen. Technische Entwicklungen und Verbesserungen sowie der konsequente Einsatz der bestehenden Möglichkeiten – beispielsweise barrierefreier Zugang zu Websites oder die Programmierung von Spracherkennungssoftware, die Sonderzeichen als glottaler Plosiv erkennen und ausspielen – müssen weiter gehen und verstärkt werden. Wir sind am Beginn eines neuen Kapitels inklusiver, diskriminierungsfreier Sprache. Ein Zeichen für einen guten Umgang mit Menschen – im Sinne von Adolph Freiherr Knigge. Über die Autorin: Sonja Schaub ist Group Director Corporate Communications und Sustainability bei der Hirschen Group – einer der größten inhabergeführten Agenturgruppen der DACH-Region. Immer noch fasziniert von der Wirkungskraft von Kommunikation – im Guten wie im Schlechten - liegt ihr ein sensibler und achtsamer Umgang mit Sprache sehr am Herzen.
- Wie führe ich Mitarbeiter:innen, die älter sind als ich?
Altersdiverse Teams haben unzählige Vorteile und natürlich auch manche Herausforderungen. Wie man es als First-Time Leader schafft, einen guten Start in die Führungsrolle auch mit Mitarbeiter:innen zu bewirken, die viel älter sind als man selber, das ist in meiner Coachingpraxis oft ein Thema - vor allem für jene Coachees, die im Konzernumfeld ihre erste Führungsrolle erlangen. Die folgenden fünf Tipps werden Ihnen helfen, den Respekt und die Bereitschaft zur Zusammenarbeit Ihrer älteren Mitarbeiter:innen zu erlangen. 1. Auftakt mit der Vorstellung durch die eigene Führungskraft Wie wird Ihr erster Tag als Führungskraft des neuen Teams aussehen? Besprechen Sie dies mit ihrer eigenen Führungskraft vorher und bitten Sie sie, Sie offiziell dem Team vorzustellen. Aus psychologischer Sicht wird es sich für das Team anders anfühlen, wenn Sie von ihrer Führungskraft, also zwei Hierarchieebenen über dem Team, vorgestellt werden. Es wird Ihnen ein größeres Standing direkt zum Start geben, wenn ihre Führungskraft erwähnt, weshalb Sie für diese Stelle die geeignetste Person sind. 2. Offen ansprechen, dass Sie jünger sind als sie Bei Ihrer Auftaktrede ist es empfehlenswert, dass Sie das Offensichtliche, den Altersunterschied und die kürzere fachliche Erfahrung auch von sich aus proaktiv ansprechen. Mit welchen Fähigkeiten, die Sie aus ihrer jüngeren Perspektive mit ins Team bringen, ergänzen Sie die bestehende Expertise im Team? Worauf freuen Sie sich? Was wollen Sie gerne von den älteren Teammitgliedern lernen? Teilen Sie ruhig in ihrer Auftaktrede auch Persönliches – sollten Sie z.B. kleine Kinder haben, können die älteren Teammitglieder vielleicht nachempfinden, wie es war, als ihre eigenen Kinder klein waren. 3. Persönlich kennenlernen und Befürchtungen verstehen Wie in jeder neuen Führungsrolle ist es wichtig, am Anfang die Zeit zu investieren, um jede/n Einzelne/n im Team gut kennenzulernen und dadurch Verständnis und Vertrauen aufzubauen. In den 1:1 Gesprächen können Sie auch das Thema Altersunterschied nochmals ansprechen und nachfragen, welche Gedanken oder vielleicht sogar Befürchtungen es von Seiten des/r Mitarbeiter:in gibt. Das könnte z.B. die Befürchtung sein, dass junge Führungskräfte nur kurz als „Karrieresprung“ im Team bleiben und sich das Team in naher Zukunft dann wieder an eine neue Führungskraft gewöhnen muss. Nehmen Sie die Befürchtungen ernst und sprechen Sie z.B. ihre Intentionen, was die Führungsrolle angeht, offen an. 4. Erfahrung wertschätzen Durch die 1:1 Kennenlerngespräche werden Sie sicher auch feststellen, wer im Team über welche Erfahrung verfügt. Hier ist es wesentlich, diese Erfahrung wertzuschätzen! Wichtig ist es allerdings, dass dies auf eine Art und Weise geschieht, in der sich die Mitarbeiter:innen auch tatsächlich wertgeschätzt fühlen. Für manche kann dies sein, dass Sie ihre Expertise für Entscheidungen mit reinnehmen, wo sie sich einfach viel besser auskennen; für andere, dass Sie ihnen bei einem Mittagessen in Ruhe zuhören, wie in den letzten Jahren Thema X im Team entwickelt wurde, und für andere wiederum, dass Sie sie mit ihrer Expertise glänzen lassen, z.B. bei Präsentationen vor anderen Teams. 5. Informelle Leader im Team Wenn Sie das Team besser kennengelernt haben, werden Sie sicher ein Gespür dafür bekommen, welche „informellen Leader“ es im Team gibt, also Mitarbeiter:innen, die bei anderen ein vertrauensvolles Ansehen genießen. Lernen Sie, wie Sie auf sie setzen und sie auch um Rat fragen können, wenn es z.B. um Situationen geht, in denen Sie das Gefühl haben, dass das Thema Alter oder Ihre geringere Erfahrung eine Rolle spielt. Oft ist es so, dass das Thema Altersunterschied nur ganz zu Anfang eine Rolle spielt und sobald das neue Team Sie und Ihre Kompetenzen besser kennengelernt hat, dies gar nicht mehr so relevant ist. Diese fünf Tipps werden es Ihnen sicher erleichtern, die Akzeptanz und das Vertrauen Ihrer neuen Mitarbeiter:innen zu erlangen - auch ganz unabhängig vom Alter! Über die Autorin: Katrin Grunwald ist Teamentwicklerin und Coach für First-Time Leader. Als Gründerin der Beratung „The Globe Team“ in München begleitet sie angehende Führungskräfte bei einem erfolgreichen Start in die erste Führungsrolle und Teams weltweit dabei, besser zusammenzuarbeiten. Sie wird in ihrer Kolumne konkrete Tipps und Tricks aus ihrer Erfahrung in europäischen Konzernen, Start-Ups, Regierungsorganisationen und NGOs teilen. Für alle, die auf dem Sprung in die erste Führungsrolle und darüber hinaus sind. Haben Sie als First-Time Leader Fragen an Katrin? Schreiben Sie uns diese an online-redaktion@strive-magazine.de und die am häufigsten gestellten Fragen werden in den nächsten Kolumnen beantwortet!
- Gründen in einem fremden Land
Vor ein paar Tagen dachte ich über meine Gründungsgeschichte und wie ich von meinem Heimatland Mexiko nach Hamburg gekommen bin, nach. Dabei kam mir die Frage auf, ob es einen einfachen Weg gibt, seine Träume und Visionen Wirklichkeit werden zu lassen? Keine Frage, die einfach beantwortet werden kann. Und sicherlich gibt es die eine universelle Formel auch nicht. Dennoch habe ich festgestellt, dass ich mir selbst drei Grundsätze geschaffen habe, die es mir ermöglichen, meine Ziele zu verwirklichen und die mir bei der Gründung von JOBMATCH.ME maßgeblich geholfen haben. Und da sicherlich viele den Traum haben, ein Unternehmen zu gründen oder auszuwandern, es sich aber aufgrund der Ungewissheit und Barrieren nicht trauen, möchte ich diese teilen. Grenzen überwinden Das Überwinden von Grenzen erfordert viel Vertrauen in sich und die eigenen Ideen. Man muss davon überzeugt sein, dass man das Richtige tut, auch wenn dies niemand anderes denkt. Mein Selbstvertrauen hat mir nicht nur während meines Studiums die Kraft gegeben, mich durchzusetzen, sondern auch beim Gründen. Nach meinem Abschluss arbeitete ich als Vorstandsreferentin bei Volkswagen in Mexiko und als Expat in Deutschland. In Deutschland ist mir aufgefallen, dass vor allem Fachkräften nicht die Wertschätzung zuteil wurde, die sie verdienten. Ein Problem, das in vielen Branchen und Unternehmen gleichermaßen vorzufinden war. Sie standen vor kaum überwindbaren Hürden, die ihnen einen Jobwechsel hin zu besseren Arbeitsbedingungen erschwerten. Ich wollte ihnen dabei helfen, die Grenzen der Rekrutierung einzureißen. Das Ziel erschien mir aufgrund der festgefahrenen Prozesse weit entfernt. Mit der Zeit wurden das Vertrauen in meinen Wunsch jedoch so stark, dass ich mich dazu entschied, den sicheren Job aufzugeben und 2016 in Hamburg JOBMATCH.ME zu mitzugründen. Eine Jobplattform, die Unternehmen und Fachkräften durch Matching ermöglicht, schnell und transparent in Kontakt zu treten. Zusätzlich bremsen mentale Grenzen und über die Zeit entstandene Paradigmen Träume schnell aus. Da sie oft durch andere Menschen festgelegt wurden oder nur im eigenen Kopf existieren, ist es wichtig, diese absichtlich zu brechen und durch das eigene Handeln herausfordern. Meine Gründung im Ausland war geprägt von mentalen Grenzen. Zum einen kam ich aus einer jahrelangen Festanstellung bei einem großen Unternehmen, dessen Abläufe im Unterschied zu einem neu gegründeten Start-up bereits etabliert und vorgeschrieben waren. Zum anderen wusste ich nicht, wie das deutsche Unternehmertum funktioniert, wie die Menschen ticken und wie ich professionell am besten networke. Ich stand nach jahrelanger Arbeit erneut an einem professionellen Anfang, musste meine festgefahrenen mentalen Grenzen durchbrechen und lernen, mich in einer ungewohnten Umgebung zu Recht zu finden. Eine schwierige, aber auch sehr schöne Grenzerfahrung. If you can imagine it, you can do it Dieser Spruch hat durch meine Mutter eine besondere und persönliche Bedeutung für mich bekommen. Man wird im Laufe des Lebens immer wieder mit Problematiken konfrontiert, die es erfordern umzudenken und sein Schicksal selbst in die Hand zu nehmen. Deswegen lautet ein weiteres Lebensmotto von mir, stets an meinen Zielen festzuhalten und jeden Tag daran zu arbeiten, diese Ziele zu erreichen. Als ich 2016 in Hamburg mein Start-up JOBMATCH.ME mitgegründet habe, hatte ich keine Vorstellung davon, wie das Bussiness-Welt in Deutschland funktioniert. Auch die Sprache habe ich noch nicht perfekt beherrscht und mich unwohl damit gefühlt, in professionellen Kontexten Deutsch zu reden. Vieles hat gegen eine einfache Gründung in Deutschland gesprochen. Ich hatte großen Respekt davor, mich auf dieses neue Abenteuer einzulassen und dennoch wollte ich mein Ziel, das Recruiting nachhaltig zu verbessern, nicht aufgeben. Also habe ich allen Mut zusammen genommen, mich jeden Tag von Neuem überwunden vor und mit anderen Menschen auf Deutsch zu reden und mich erneut an einer Hochschule eingeschrieben, um mit Professionals in Kontakt zu treten und Wissen über die Wirtschaft und Marketing-Welt in Deutschland zu sammeln. Mittlerweile habe ich keine Bedenken mehr, im professionellen Kontext Deutsch zu reden und der deutsche Business-Alltag ist für mich ganz normal. Nutze deine Talente und lern stetig Neues Jeder Mensch hat seine ganz individuellen Leidenschaften und Fähigkeiten. Manchmal mag es so scheinen, als ob sich diese nicht miteinander kombinieren lassen und man sich zwischen ihnen entscheiden muss. Als Ingenieurin habe ich gelernt, Daten, Zahlen und Formeln zu erstellen, auszuwerten und zu nutzen. Obwohl es auf den ersten Blick nicht so scheint, habe ich gelernt, dass sie zur Kreativität inspirieren können, weswegen ich sie heute für meine Leidenschaft nutze - Marketing. Ich bin der Überzeugung, dass der individuelle Mix aus Fähigkeiten, den jeder Mensch mit sich bringt, dessen Alleinstellungsmerkmal kreiert. Dieses ist bei einer Gründung im In- und Ausland von großer Bedeutung, da man nach einer Lücke im Markt sucht, die nur man selbst perfekt besetzen und schließen kann. Um dies zur Geltung zu bringen, muss man seine Talente clever miteinander kombinieren, bereit sein, stetig Neues zu lernen und sich sich selbst challengen. Als Gründerin im Ausland lerne ich stetig Neues dazu und gebe mich mit meinem Status quo nicht zufrieden. Denn beim Gründen nimmt man, was man hat und lernt immer weiter. “Ich weiß schon alles” gibt es nicht. Verwirkliche deine Ziele und Visionen Gibt es also einen universellen Weg, seine Träume und Visionen Wirklichkeit werden zu lassen? Ich denke schlussendlich nicht – schließlich sind alle Personen, Lebensgeschichten und Träume unterschiedlich. Dennoch bin ich davon überzeugt, dass die Überwindung von gesetzten Grenzen, der Glaube an sich selbst und die clevere Nutzung der eigenen Fähigkeiten auf dem Weg zur Realisierung des eigenen Traums unterstützen können. Und auch wenn andere dir sagen, dass dein Traum in deiner Situation nicht möglich ist, weil du “nicht dafür gemacht bist” oder “weil du ja schon Mutter bist”, oder egal was auch immer der Grund ist: Hör nicht zu, sondern finde deine eigene Lösung. Ich tue mit JOBMATCH.ME, was ich liebe und möchte mit meinen Grundsätzen auch alle anderen dazu ermutigen, das zu tun. Es gibt keinen Misserfolg, sondern nur stetige Weiterentwicklung. Über die Autorin Yesica Rios ist CMO und Mitgründerin von JOBMATCH.ME, einer Job-Plattform, die mittels Supervised Machine Learning den Bewerbungsprozess für Fachkräfte digitalisiert und Stellenanzeigen, Lebensläufe und Anschreiben überflüssig macht. Sie wuchs in Mexiko auf und erwarb ein Diplom als Wirtschaftsingenieurin u.a. an der Technischen Universität München im Rahmen eines DAAD-Auslandsstipendiums sowie einen Abschluss als Online Marketing Manager von der HMS Hamburg Media School. Als CMO und Speakerin inspiriert Yesica mit ihrem internationalen Werdegang und spricht über Fachkräfte Empowerment, die Veränderung des Frauenbildes und das Leben als Female Founder.
- Trinken bis zum Blackout – morgens ab ins Meeting
Gastbeitrag | „Heute Abend trinke ich nichts mehr!“ Dieser Schwur und ich, wir waren unzertrennlich. Alle 24 Stunden wiederholte ich ihn. Natürlich glaubte ich fest daran, meinen Alkoholkonsum unter Kontrolle zu haben. Ich spielte das typische Alkoholiker:innen-Bullshit-Bingo in der Meisterklasse. „Ich kann jederzeit aufhören“ oder „Voll berufstätig, selbstständig, drei Kinder. Da braucht man abends schon mal was zur Entspannung.“ Ist klar. Über Alkoholiker:innen im Berusfsalltag – und warum Alkoholismus nichts mit Willensschwäche zu tun hat. Alkoholiker:innen? Das sind die zusammengesunkenen Gestalten vor dem Hauptbahnhof. Meine morgendliche Bestätigung auf dem Weg zum ersten ICE nach Frankfurt. Egal wie sehr mein Kopf hämmerte und wie verquollen die Augen waren – mit diesen Menschen hatte ich nichts gemein. Ich eilte ja mit einer schicken Laptop-Tasche auf Pfennigabsätzen zum Geschäftstermin. Alkoholiker:innen sind intelligent, erfolgreich und einkommensstark Alkoholiker:innen sind häufig intelligent, haben ein gutes bis sehr gutes Einkommen und einen gehobenen Sozialstatus. So steht es im „Alkoholatlas“, den die Bundesregierung erstellen ließ. Immerhin: Allein war ich also nicht. Von einzelnen Berufsgruppen weiß man, dass ihre Vertreter besonders oft zur Flasche greifen. Ganz vorn dabei: Ärzt:innen und Lehrer:innen. Es hat mich fast 15 Jahre gekostet, bis mir eingestanden habe: Ich bin funktionierende Alkoholikerin. „Ich habe mich geschämt. Ich habe mir das Stigma zu eigen gemacht, ich wäre nicht diszipliniert genug, es wäre eine Charakterschwäche oder moralisch verwerflich - und dass ich es geheim halten müsste“, erinnert sich eine der bekanntesten US-Fernsehjournalistinnen, Elisabeth Vargas, an ihre Sucht. Die Ankerfrau des Senders ABC hat sich fast tot getrunken, quasi vor laufender Kamera. Es gibt eine äußerst sehenswerte Doku über sie . Vargas verrät darin auch, warum sie immer wieder trank: Angst und Panikattacken quälten sie. „Wenn der Countdown zur Livesendung lief, wäre ich manchmal am liebsten weggelaufen“, erinnert sie sich. Ein tiefer Schluck vor der Sendung brachte die nötige Ruhe. Ich coache heute selber beruflich erfolgreiche Frauen mit Alkoholproblemen. Die meisten sind typische Entspannungstrinkerinnen – oder sie glätten damit Ihre Ängste, so wie Vargas. Viele Frauen erschlägt ihre eigene Messlatte Alkohol ist ein tückischer Stimmungs-Allrounder: Graue Mäuse erblühen zu Diven, in Ängstlichen weckt er den Tiger, Traurige können mit ihm Bäume ausreißen, Null-Bock-Laune ist nach einem Drink Geschichte, Gestressten schenkt er er zuverlässig Entspannung. „Mein Problem kenne ich schon lange“, beschreibt es eine Klientin von mir. Sie ist Head of Sales in einer mittelständischen Softwarefirma. „Ich finde einfach kein Ende. Alles muss perfekt sein. Im Job sowieso. Wenn da dann alles wirklich pingelig genau erledigt ist, dann kommt die Familie, das Privatleben. Der Tag könnte doppelt so lang sein und ich würde immer noch mehr machen, damit alles meinen Ansprüchen gerecht wird. Irgendwann bin ich dann so kaputt am Abend, dass ich zwei, drei Gläser stürze, um irgendwie schnell runterzukommen. Wie viele Drinks noch folgen, weiß ich am nächsten Morgen oft nicht mal mehr.“ Im Beruf liefern erfolgreiche Frauen tausend Prozent - um nach Feierabend und am Wochenende das Gaspedal noch einmal voll durchzudrücken, angetrieben vom eigenen Perfektionismus. Meiner Erfahrung nach ist das ein typisches Muster erfolgreicher Frauen. Im Beruf liefern sie tausend Prozent - um nach Feierabend und am Wochenende das Gaspedal noch einmal voll durchzudrücken, angetrieben vom eigenen Perfektionismus. Anders ausgedrückt: Viele Frauen erschlägt ihre eigene Messlatte. Sie greifen zum Glas, um abschalten zu können. Am nächsten Morgen sind diese Frauen wieder hochpräsent und leistungsfähig. Soviel zur Mär, Alkoholiker:innen seien schwach oder willenlos. Das Gegenteil ist wahr. Funktionierende Alkoholikerinnen sind beinhart. Beruflich erfolgreiche Frauen haben außer Schuld und Scham häufig noch einen weiteren Grund, sich keine Hilfe zu suchen. Sie fühlen sich von der gängigen Therapie nicht angesprochen. Körperliche Entgiftung in der Klinik, danach Langzeittherapie von drei Monaten, Psychotherapie, Selbsthilfegruppen. „Das kam für mich einfach alles nicht in Frage“, sagte mir eine Klientin. „Wie sollte das wohl gehen? Ich habe keine drei Monate Zeit, mich bei Stuhlkreis und Körbchenflechten selbst zu finden. Hinterher hätte ich keinen Job mehr - und bringen würde mir das auch nichts.“ Ich kann die Klientin gut verstehen. Als ich aufhören wollte, ging damals Ähnliches durch den Kopf. Vor allem: Bei allem Aufwand ist die Erfolgsquote der gängigen Therapie schlichtweg miserabel. Einer von ungefähr fünf schafft es mit damit, die Finger dauerhaft vom Alkohol zu lassen. Das war mir zu wenig - und außerdem wollte ich genauer verstehen, warum mich der Wein so eng am Gängelband hatte. An eine schwache Psyche glaubte ich nicht, das war nicht ich. Alkoholismus steht in einer Reihe mit Depressionen - mit Willensschwäche hat er nichts zu tun Ich bin Wissenschaftjournalistin und hatte nun den besten Recherchegrund überhaupt: Ich war auf der Suche nach Hilfe für mich selbst. Schon bald war klar: Die Medizin weiß heute sehr genau, was einen an die Flasche treibt. Spoiler-Alert: Ein schwacher Wille ist es nicht, der einen immer wieder umfallen lässt. Dahinter steckt reine Biochemie, genauer: Die Hirnchemie hat Schlagseite. Alkoholismus steht damit in einer Reihe mit Depressionen oder sogar Diabetes. Ich erkläre die medizinischen Hintergründe in unserem Buch „Alkohol adé“, auf der dazugehörigen Website und auch in einigen Videos auf Youtube . Viele meiner Klientinnen sind unendlich erleichtert, wenn sie die harten medizinischen Fakten verstanden haben. Das befreit sie nicht nur schlagartig von elenden Schuldgefühlen. Diese rationale, medizinische Betrachtung gibt ihnen auch ganz andere Werkzeuge an die Hand, ihr Alkoholproblem anzupacken. Dabei helfe ich ihnen. Meistens sogar anonym. Teil meines Konzeptes ist es auch, dem Körper Hilfe zur Selbsthilfe zu geben. Dabei spielen Nährstoffe, also Vitamine, Mineralstoffe, Spurenelemente und Eiweiße eine große Rolle. Sie haben mir die erste Zeit ohne Alkohol sehr erleichtert. Über die Autorin: Gaby Guzek studierte Sprach- und Poliitkwissenschaften in Deutschland und in den USA und absolvierte ihren M.A. an der State University of New York at Buffalo. Seit 1992 ist sie als freiberufliche Journalistin für Medizin und Wissenschaft tätig und hat als Verlegerin gemeinsam mit ihrem Mann mehrere Bücher veröffentlicht – u.A. den Ratgeber "Alkohol ade", der beim Ausstieg aus dem Alkoholismus unterstützen soll.
- Vielfalt beginnt im Kopf
Gastbeitrag | Banksy ist das Pseudonym eines britischen Streetart-Künstlers, der seit über zwanzig Jahren mit Schablonengraffiti auf gesellschaftliche Missstände aufmerksam macht. Bisher ist es nicht gelungen, die wahre Identität festzustellen. Aber in der überwiegenden Anzahl aller Medienberichte wird davon ausgegangen, dass es sich um einen männlichen Künstler aus Großbritannien handelt. Vor einiger Zeit tauchte bei Twitter dann dieser Tweet von @habichthorn auf: “Liebe ja, wie überall ganz selbstverständlich davon ausgegangen wird, Banksy sei ein Mann.” In dem Moment, wo man diesen Tweet liest, fühlt man sich ertappt. Banksy ist in erster Linie einmal eine geschlechtslose Kunstfigur. Ob da in Wirklichkeit ein Mann, eine Frau oder ein ganzes Kollektiv dahinter steckt, ist für diese interessante psychologische Erkenntnis unerheblich. Warum wird automatisch angenommen, dass diese Kunstfigur männlich sei? Ich selbst bin schon oft genug in die gleiche Denkfalle getappt. Auch in meinem Kopf sind Rollenklischees fest verankert, wie mein ChangeRider-Talk mit Magdalena Rogl, Head of Digital Channels bei Microsoft, gezeigt hat. Ich war damals wie heute ein großer Fan von Magdalena und ihrer Arbeit und wollte meiner Bewunderung Ausdruck verleihen, indem ich mit der Frage einstieg, wie sie ihre anspruchsvollen Aufgaben als Influencerin, Führungskraft bei Microsoft und Mutter von vier Kindern unter einen Hut bekäme. Sie hat mich in ihrer sehr offenen und freundlichen Art zurückgefragt, ob ich diesen Einstieg auch gewählt hätte, wenn mir ein Mann gegenüber gesessen hätte. Erwischt. Für mich war das ein Augenöffner. Auch ich falle, wenn ich nicht aufpasse automatisch in alte Denkmuster zurück. Solange der Mann Karriere macht und die Frau sich um die Kinder kümmert, ist es nichts Besonderes. Wenn es umgekehrt läuft, muss man schon mal nachhaken. Natürlich hatte ich bei meiner Frage nur die besten aller Absichten. Aber gut gemeint ist nun mal nicht immer auch gut gemacht. Und so habe ich beschlossen, auch in meiner persönlichen Kommunikation noch viel mehr darauf zu achten, dass ich solche veralteten Rollendefinitionen nicht mehr bediene. Wenn es um die Disruption von Geschäftsmodellen geht, fällt es mir persönlich überhaupt nicht schwer, Althergebrachtes zu hinterfragen und bestehende Strukturen bei Bedarf, ohne mit der Wimper zu zucken, achtkantig aus dem Fenster zu werfen. In diesem Kontext ist die Phrase: “Das haben wir schon immer so gemacht!” für mich ein rotes Tuch. Aber als Geschäftsführer eines Unternehmens, welches in der Führungsebene selbst zu 80 Prozent aus Männern besteht, muss ich selbstkritisch eingestehen, dass beim Thema Female Empowerment auch bei uns noch sehr viel Luft nach oben ist. Unsere Wirklichkeit wird zu einem Großteil geprägt durch unsere Sprache. Und es ist natürlich eine Möglichkeit, genau an dieser Stelle anzusetzen. Ob es letztendlich die Gendersternchen sein werden, die dafür sorgen, dass man bei einer offiziell geschlechtslosen Kunstfigur nicht mehr reflexhaft einen Mann im Kopf hat, weiß ich nicht zu sagen. Die Entscheidung, mein aktuelles Buch “Werdet WELTMUTFÜHRER” komplett in der weiblichen Form zu schreiben, hat zumindest einige meiner männlichen Kollegen im ersten Moment irritiert. Aber “umparken im Kopf” bedeutet auch, dass man aus der eigenen Komfortzone herauskommen und die verwunderten Blicke aus der “Peergroup” ertragen muss. Zumindest auf mich selbst hatte diese Entscheidung eine spürbare Wirkung. Ich nehme mittlerweile nicht mehr automatisch an, dass ich es mit einem Mann zu tun habe, wenn bei mir “Termin mit CEO, CFO oder Head of Marketing” im Kalender steht. Natürlich kann das höchstens der erste Schritt auf dem Weg zur Chancengleichheit sein. Allein die Erkenntnis, dass natürlich jede Position jederzeit von der jeweils kompetentesten Person - ungeachtet welchen Geschlechts - besetzt werden kann, führt nicht zwangsläufig dazu, dass dies in der Praxis auch wirklich so gelebt wird. Vor einiger Zeit haben sich prominente Frauen unter anderem die von mir sehr geschätzten Janina Kugel und die Bestseller Autorin Verena Pausder zusammengeschlossen und gemeinsam mit dem SPIEGEL die Kampagne “Quotenfrauen” gestartet. Das Ziel war es Frauen in Spitzenpositionen sichtbar zu machen und dem Begriff der Quotenfrau so das Stigma zu nehmen. Diese Aktion war richtig und wichtig, wurde aber zum Teil grob missverstanden und hat deswegen einiges an Kritik hervorgerufen. Häufig wurde argumentiert, dass eine Quote die Leistung der Frauen herabsetzen würde. Dabei wird vergessen, oder absichtlich übersehen, dass niemand gerne “Quotenfrau” ist. Alle Menschen möchten ihre Position natürlich aufgrund der eigenen Leistung einnehmen und nicht aufgrund von primären Geschlechtsmerkmalen. Trotzdem werden Frauen, die im Rahmen einer Quotenregelung in eine Führungsposition kommen, immer wieder dem Vorwurf ausgesetzt, dass das Leistungsprinzip bei ihrer Auswahl keine Rolle gespielt hat. Es wird unterstellt, dass sie weniger geleistet hätten als männliche Mitbewerber. Das ist ein Trugschluss. Keine Quotenfrau wurde vom Kinderspielplatz weg gecastet, nach dem Motto: “Wir brauchen hier eine Frau im Vorstand, könnten Sie das vielleicht mal machen?” Ganz im Gegenteil. Jede Frau, die eine Führungsrolle übernimmt, hat sich gegen zahlreiche männliche Bewerber durchgesetzt, um überhaupt erst einmal für diese Position in Betracht gezogen zu werden. Und wenn sie die Position innehat, dann muss sie doppelt und dreifach so viel leisten, wie ihr männliches Pendant, um zweifelsfrei zu beweisen, dass sie diese Position eben zurecht ausfüllt. Bitte nicht falsch verstehen. Ich bin kein Freund der Quote. In einer idealen Welt bekommt die Person den Job, die bestmöglich dafür qualifiziert ist. Aber in einer idealen Welt haben auch alle die gleichen Chancen, überhaupt in die Position zu kommen, sich für jeden Job bewerben zu können. Und davon sind wir noch meilenweit entfernt. In der Theorie vielleicht nicht. Da ist es natürlich möglich, dass ein ambitioniertes Mädchen alles dafür tut, um die nächste Elon Musk zu werden. Aber in der Praxis fehlt es an Vorbildern. Obwohl Angela Merkel seit fast 16 Jahren als Kanzlerin die deutsche Politik prägt, sind immer noch weniger als ein Drittel der Bundestagsabgeordneten weiblich. Die Hoffnung ist, dass sich das Vorbild Angela Merkel in der nächsten und übernächsten Generation von Politikern bemerkbar macht. Schon jetzt werden die weiblichen Stimmen lauter und vor allem junge Aktivistinnen bekommen bei wichtigen Fragen wie zum Beispiel der Klimapolitik endlich die Aufmerksamkeit, die sie verdienen. Aber damit können wir uns nicht zufriedengeben. Führungskräfte, Vorständ:innen, Entscheider:innen egal welchen Geschlechts müssen sich dafür einsetzen, dass wir auch in Zukunft immer mehr weibliche Vorbilder in exponierten Positionen antreffen. Das hat nicht nur idealistische Gründe. Je größer die Vielfalt am Arbeitsplatz ist, desto mehr Perspektiven gibt es in den Diskussionen, desto kreativer sind die Ideen und desto besser sind die Ergebnisse. Ich bin fest davon überzeugt, dass wir produktivere, kreativere und insgesamt erfolgreichere Organisationen sehen werden, wenn es uns gelingt, nicht nur über demografische Vielfalt zu sprechen, sondern diese auch nachhaltig in den Unternehmensstrukturen zu verankern. Bis es soweit ist, halte ich es mit diesem Zitat der verehrten Heidi Kabel: "Die Quote brauchen wir erst dann nicht mehr, wenn es mal eine völlig unqualifizierte Frau in den Vorstand geschafft hat." Über den Autor: Als Gründer und Geschäftsführer der Innovationsberatung und Startup- Schmiede etventure treibt Philipp Depiereux (43) seit über 10 Jahren den digitalen Wandel in Wirtschaft und Gesellschaft voran – mit neuen Denkweisen und neuen Methoden. Außerdem ist Depiereux Initiator und Moderator des Non-Profit-Formats ChangeRider. In seinem Video- und Podcastformat erzählen Menschen aus Politik, Wirtschaft, Forschung und Gesellschaft, wie sie den Wandel gestalten, die digitale Transformation vorantreiben sowie Land und Menschen nach vorne bringen. Mit seinem zweiten Buch „Werdet WELTMUTFÜHRER“ (2020) schafft Depiereux eine Blaupause für die Digitalisierung und Transformation der Unternehmen. Dabei aber nicht technisch, sondern indem er Mut, Mindset, Diversity, Leadership und weitere Themen ins Zentrum rückt, inklusive vieler Anekdoten aus den unzähligen Gesprächen mit Unternehmenslenkern, erfolgreiche Transformationsbeispiele sowie Scheitergeschichten.
- Freiheit statt Status(-quo)
Karriere umgekehrt: Eckhard Köhn gehörte jahrelang zur Management-Riege deutscher Großkonzerne, dann wechselte er zu Studitemps und machte das Start-up rund um flexible Arbeit für Studierende und Young Professionals zu einem millionenschweren Unternehmen. Das Erfolgsrezept: Chancen statt Risiken sehen. In einem Großkonzern zu arbeiten bringt Sicherheit, Struktur aber auch viel Routine und wenig direkten Handlungsspielraum. Das war für mich nach über zehn Jahren im Management u.a. von Daimler und DKV keine Option mehr. Ich gab Status, Dienstwagen sowie Fahrer und eine sichere ”Kamin-Karriere” für mehr unternehmerische Freiheit auf, um mit meinem Wissen und Erfahrungen aus diesen gewachsenen Strukturen ein neues, vielleicht auch besseres Unternehmen aufzubauen. Bereits 2007 erarbeitete ich ein Konzept für ein Unternehmen dessen Kerngeschäft flexible Arbeitseinsätze mit Studierenden für Unternehmen mit Personalbedarf sein sollte. Das Konzept blieb zunächst in einer Schublade liegen, bis zu einem Treffen mit Benjamin Roos und Andreas Wels im Jahr 2010. Die beiden arbeiteten gerade an der Umsetzung einer solchen Überlegung. Am Flughafen Hamburg wollten wir uns auf eine Stunde treffen um über die Idee zu sprechen, daraus wurde ein ganzer Tag und daraus wiederum meine Entscheidung in das junge Startup als Geschäftsführer einzusteigen. Selbst anpacken statt daneben zu stehen Als erfahrene Führungskraft in ein junges Unternehmen zu wechseln, ist eine Win-Win-Situation. Während die Gründer von meinen Erfahrungen profitieren konnten, war es für mich die Chance in alle Prozesse voll eingebunden zu sein und mitgestalten zu können, statt nur arbeitsteilig Verantwortung zu übernehmen. Wo man sonst Powerpoint-Folien erstellt und diese dann weitergibt, lässt man sie hier wahr werden. Morgens arbeitete ich an der unternehmerischen Ausrichtung, Mittags ging es um Kundengewinnung und Finanzierungspläne und Abends um Lohnzahlungen und Software-Administration. Diese vielen Aufgaben- und Entscheidungsbereiche zu verantworten, bringt große unternehmerische Spielräume. Damit diese Freiheit zum Erfolg führt, braucht es neben Risikobereitschaft und Mut, vor allem Zielstrebigkeit. Es ist wichtig sein Unternehmensziel im Blick zu haben und dies dann möglichst mit allen anderen, vom Senior bis zum Trainee, zu teilen. Nur wenn alle Mitarbeitenden überhaupt wissen, für welche Idee und Werte sie arbeiten und wie diese erreicht werden sollen, können sie sich auch aktiv einbringen. Die Idee muss in allen Beteiligten wachsen und aus Mitarbeitern werden Überzeugungstäter. Aufbau eines Unternehmens und einer Zielvision Hier liegt aus meiner Sicht einer der entscheidenden Erfolgsfaktoren eines jeden Unternehmens, egal ob Großkonzern oder Start-up: Nur wer sein Team einbezieht, jedem die Chance auf persönliche Entwicklung mit größtmöglicher Selbstbestimmtheit bietet und bereit ist deren Erfahrungen und Kompetenz als Ressource zu begreifen, wird seine Ziele erreichen. Sich austauschen und voneinander lernen kann Probleme schneller lösen als stundenlang im stillen Kämmerchen darüber zu grübeln. Nur durch Teamwork kann ein Start-up dann auch rasant wachsen und zu dem werden was es per Definition ist. Alle Aufgaben selbst zu übernehmen und umzusetzen funktioniert, wenn ein Unternehmen wachsen soll, auf Dauer nicht. Auch ich musste nach der Anfangsphase in der ich viele neue Ansätze und Wege ausprobiert habe, Aufgaben delegieren. Das Kredo: Einmal selbst vormachen und dann abgeben. Freiheit (neu) zu gestalten und zu reagieren So ist Studitemps von einem Start-up zu einem Unternehmen mit 94,7 Mio. Euro Jahresumsatz, über 300 Mitarbeitern und 24 Standorten in ganz Deutschland geworden. Und selbst in der Corona-Krise konnten wir uns resilient zeigen und unseren Umsatz um 20 % steigern. Zu verdanken haben wir das nicht nur den flexiblen und motivierten Student*innen und einem unermüdlichen Team, sondern auch unserer Agilität, die wir uns über all die Jahre erhalten haben. In einem kleinen Unternehmen wirken sich Entscheidungen viel unmittelbarer aus, daher kann der Kurs schneller gewechselt werden und Fehler, die zu jeder Neugründung dazugehören, schneller behoben werden. Nicht jeder Plan geht immer so auf, wie man es sich erhofft, dann gilt es das Ziel weiter zu fokussieren und doch einen anderen Weg dahin einzuschlagen. Im Krisenjahr bedeutete das: Täglich 50.000 Einsatzstunden von Studierenden neu zu besetzen und gleichzeitig 20.000 Stunden zu stornieren. Allein im März 2020 wurden 57.000 Stellen unter anderem im Lebensmitteleinzelhandel sowie in der Logistik und Warenversorgung durch Studitemps mit Studierenden besetzt. Gleichzeitig haben wir das Unternehmen digitalisiert. Aus dem Start-up vom Jahr 2011, einem hochspezialisierten Personaldienstleister mit aufwendigen manuellen Prozessen, ist ein HR Tech und Workforce as a Service Anbieter entstanden. Studitemps verschafft monatlich bis zu 10.000 Student*innen und Young Professionals einen Job und hilft damit Unternehmen mit Personalbedarf – von Automotive über den Gesundheits- und Sozialbereich, bis zu IT, E-Commerce, Logistik, Einzelhandel oder Biotech. Die Arbeit der letzten zehn Jahre hat sich gelohnt. Angst hatte ich in all der Zeit nicht, das ist aus meiner Sicht auch kein guter Begleiter für einen Unternehmer. Ich habe den Wechsel aus den sicheren Strukturen des oberen Managements in ein Start-up immer als aufregende Chance wahrgenommen, weniger als Risiko, denn meistens gilt im Leben: Wer nicht wagt, der nicht gewinnt. Über den Autor Eckhard Köhn begann seine Karriere als Consultant bei GEMINI CONSULTING (heute Capgemini), war anschließend als Vice President bei DAIMLER tätig. Er ist dann zur Restrukturierung bei der Newtron AG eingestiegen und war anschließend Managing Director bei DKV. Der gestandene Manager fing nach Jahren in Konzernen bei einem Start-up an, in dem es noch aussah wie in einer Studenten-WG, zog gemeinsam mit den Gründern Strukturen ein und brachte es zum Erfolg.
- I’m starting with the woman in the mirror!
Neues Unternehmertum | Neulich bin ich über Mars gestolpert. Und Danone. Und zwar nicht am Regal im Lebensmittelhändler meines Vertrauens, sondern in einem Zukunftsreport! In einem Atemzug mit Tony’s Chocolonely, share oder einhorn. Und jetzt kommts: Im Kontext Brands For Future. Ausgerechnet diese zwei Multinationals? Seitdem kann ich gar nicht aufhören, mich mit den Inhalten der neuen Mars-Mission eines gerechteren, verantwortungsvolleren Kapitalismus zu beschäftigen: Für die Verfolgung dieses Ziels wurde eine hoch professionelle, hochkarätig besetzte Stiftung „Economics of Mutuality“ sowie inzwischen eine Unternehmensberatung gegründet, die entsprechende Transformationsmethoden auch extern anbietet. Genauso begeistert mich die Konsequenz, mit der sich Danone CEO Emanuel Faber dem Ziel verschreibt, bis 2025 (!) eine gemeinwohlorientierte B(enefit)-Corp(oration) zu werden. Als erster multinationaler Konzern dieser Größe überhaupt! Und somit von Beispielen berichten kann, wie Danone in Drittweltländern der Mangelernährung aktiv entgegentritt, indem sie gesunde, bezahlbare Joghurts mit lebenswichtigen Nährstoffen statt ungesundem Zucker anreichert. Beide Beispiele sind deshalb so großartig, weil sie uns so vieler Ausreden berauben, die wir uns nur zu gerne zugestehen: „Ja, als frisch gegründetes Start-up ist es ja kein Problem, ein durch und durch gutes Unternehmen zu bauen, aber mit Altlasten als riesen Konzern ist das nicht so leicht machbar.“ Und: „Ohne Regulierung geht es nicht, hier ist die Politik gefragt, nicht wir.“ Oder: „Lokal agierende Unternehmen sind klar im Vorteil, denn als (wahlweise) national/internationales Unternehmen gibt es ganz andere Zwänge, die man nicht so leicht überwinden kann.“ Danke, Mars! Danke, Danone! Ach ja, und: Danke, Patagonia! Hatte ich schon erzählt, dass diese internationale Firma 2020 beschlossen hat, nicht mehr wachsen zu wollen? Und das, obwohl wir uns das ja eigentlich gar nicht vorstellen können, ein Unternehmen ohne Wachstum? In diesem Kontext habe ich übrigens letzte Woche eine ganz andere spannende Grafik von Bruno Roche und Jay Jakub in ihrem substantiellen Buch „Completing Capitalism“ gelesen: Hier wurden am Beispiel der Top FMCG Konzerne zwei Kurven übereinandergelegt. 30 Jahre lang Entwicklung ihrer Umsätze und 30 Jahre lang Entwicklung ihrer Profite. Und siehe da, die beiden Kurven korrelieren gar nicht, d.h. tausende von Unternehmen konnten Profite generieren, unabhängig davon, ob sie in hohen oder geringen Wachstumsphasen waren. Das hat natürlich verschiedenste Produktivitätswachstumsgründe. Aber sie zeigen auch: Es braucht nicht mehr Wachstum, um als Unternehmen mit sich entwickelndem Gewinn langfristig bestehen zu können. Es braucht vor allem die Fähigkeit als Unternehmen, Profit machen zu können. Ohne diese drei Multinationals (ich arbeite übrigens für keine der genannten Marken) würden wir uns weiter morgens im Spiegel sagen können, dass wir wirklich gerne wollen, aber nur so schwer können! Doch mit ihnen wissen wir jetzt, dass wir vielleicht nicht ganz so aktivistische Unternehmer:innen sind, wie wir gerne von uns denken: Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg. Das zeigen sie uns glasklar auf. Also bitte ich uns alle vielleicht morgen mal vor den Spiegel zu treten und sich wirklich ganz wahrhaftig zu fragen: „Wollen wir wirklich? Will ich wirklich?“ Oder immer dann, wenn Sie – wie ich – die nächsten Male wieder vor einem Danone Joghurt im Lebensmittelhändler Ihres Vertrauens stehst: Können Sie heute anfangen, eine Veränderung zu starten? Ich freue mich schon jetzt auf unseren Austausch, der hier beginnt. Und jederzeit online weitergehen kann: stefanie@killingopposites.com . Über die Autorin: Stefanie Kuhnhen verantwortet als geschäftsführende Partnerin das strategische Produkt von Grabarz & Partner, einer der führenden inhabergeführten, kreativen Markenagenturen Deutschlands und der Welt. Nicht nur ihre Arbeiten für Unternehmen wie IKEA, Volkswagen, EDEKA oder Burger King wurden mehrfach mit nationalen und internationalen Strategiepreisen ausgezeichnet, sondern auch sie selbst. Stefanie Kuhnhen ist zweifache Mutter und hat im Frühjahr 2018 das Trendbuch „Das Ende der unvereinbaren Gegensätze" publiziert. Seit 2019 ist sie Co-Founderin des Startups „Kokoro“. Eine App, die die zentralen Faktoren gesunder Unternehmenskulturen misst und Teams aktiv dabei unterstützt, ihren emotionalen Zustand zielgerichtet zu verbessern.
- Meine Schicksalsschläge brachten mir meine wahre Berufung
Christina Wechsel hat eine bewegende Lebensgeschichte, die zeigt: Mit Willenskraft und Mut lassen sich auch die tiefsten Täler durchschreiten – notfalls mit nur einem Bein. Denn das vermeintliche Ende des Weges kann der Anfang für etwas ganz Neues sein. Wie ihre Schicksalsschläge sie zu ihrer wahren Berufung führten, erklärt sie im Gastbeitrag auf STRIVE Online. Eine Weltreise – das war eigentlich schon immer mein großer Traum. Und auf diesen arbeitete ich zielstrebig hin. Nach der Schule machte ich eine Ausbildung zur Hotelfachfrau, ein Berufswunsch, der wahrscheinlich in meinen Genen verankert ist, da mein Vater jahrelang Hotels in verschiedenen Ländern geleitet hat. Um möglichst viel Geld für meine große Reise zusammenzubekommen, fing ich nach meiner Ausbildung als Rezeptionistin in einem Hotel in Zürich an. Ich liebte diesen Job – nicht nur wegen des tollen Teams, mit dem ich zusammenarbeitete. Durch die Arbeit im Hotel hatte ich immer schon zumindest ein bisschen das Gefühl, mit der großen weiten Welt verbunden zu sein. Der Austausch mit internationalen Gästen, die verschiedenen Sprachen, es war auf eine gewissen Weise wie ein kleiner Vorgeschmack auf meinen Herzenswunsch. Dennoch war mir klar: Sobald ich genug Geld gespart hatte, ging es ein Jahr mit „Work & Travel“ um die Welt. Asien, Australien, Neuseeland – ich konnte es kaum erwarten, endlich in das Flugzeug zu steigen. Das Leben hatte andere Pläne Ich steckte schon mitten in der Reiseplanung, als mich eine schlimme Nachricht erreichte. Meine Mutter, zu der ich ein sehr enges Verhältnis hatte, erkrankte an Krebs und starb. Die Reise verschob ich natürlich erst einmal, dennoch stieg ich ein halbes Jahr später ins Flugzeug nach Australien, denn ich wusste, meine Mutter hätte gewollt, dass ich meine Träume verwirkliche. Dort schlug das Schicksal ein zweites Mal zu. Auf dem Weg zum Ayers Rock – dem Uluru, wie die australischen Ureinwohner ihren heiligen Berg nennen – hatten drei Freunde und ich einen schweren Autounfall. Mein guter Freund Ronny starb noch am Unfallort mitten im australischen Outback, ich kämpfte wochenlang auf der Intensivstation in Adelaide um mein Leben. Diesen Kampf gewann ich zwar, aber mir musste mein linker Unterschenkel amputiert werden. Für jemanden wie mich, dem von klein auf an Sport unheimlich wichtig war, war das zunächst ein riesiger Schock. Denn ich fragte mich nicht nur, ob ich jemals wieder laufen würde, sondern wie ich mit Prothese meinen geliebten Sport machen kann. Mit viel Willenskraft, meinem spirituellen Glauben und der liebevollen Unterstützung von Familie und Freunden kämpfte ich mich Schritt für Schritt zurück ins Leben. Und konnte bald vieles mit Prothese machen – von Schwimmen über Klettern und Tennisspielen bis hin zum Skifahren auf einem Bein. Alles hätte gut sein können, wäre da nicht noch ein Problem: die unerträglichen Phantomschmerzen. Auf dem Weg zur Heilung durch eine neue Berufung Gegen meine Phantomschmerzen versuchten die Ärzt:innen jede erdenkliche Methode, doch nichts half. Die Schmerzattacken wurden einfach nicht besser. Da meine Mutter als Heilpraktikerin gearbeitet hatte, beschloss ich, es mit Naturheilmethoden zu versuchen. Und das war es, was mir letztendlich half, meine Phantomschmerzen in den Griff zu bekommen. Ich beschloss, eine Ausbildung als Heilpraktikerin zu machen. Mein Ziel: Auch anderen Betroffenen zu helfen, Schmerzen durch die Kraft der Natur zu lindern und vor allem ganzheitlich zu heilen. Heute arbeite ich in meiner eigenen Naturheilpraxis in München als Heilpraktikerin und Mentorin und liebe es, meine eigene Geschichte und meine Erfahrungen mit anderen Menschen zu teilen. Das ist auch der Grund, warum ich mich zusätzlich für das so genannte „Pik“-Projekt (Peers im Krankenhaus) engagiere. Dabei unterstützen Menschen mit Amputation frisch Amputierte. Und ich teile meine Geschichte und vor allem meinen Weg zurück ins Leben als Speakerin auf verschiedenen Events. Nachdem mich jahrelang Leute darin bestärkt haben, meine Geschichte aufzuschreiben, ist aktuell mein Buch „Wer Flügel hat, braucht keine Beine“ erschienen. Ich wünsche mir sehr, dass ich denjenigen, die auch von schweren Schicksalsschlägen durchgerüttelt werden, Mut machen kann. Denn ich habe erkannt, dass es im Leben nicht darauf ankommt, was einem widerfährt, sondern darauf, wie man damit umgeht. Und mir haben die schwersten Situationen in meinem Leben den Schritt in die Selbstständigkeit gebracht – und somit meine wahre Berufung. Über die Autorin: Christina Wechsel ist Heilpraktikerin, Keynote Speakerin und Autorin. Sie hat drei Schicksalsschläge innerhalb eines Jahres durchlebt – seitdem lebt sie ihre Message „Nichts ist unmöglich, wenn wir der Intention unseres Herzens folgen!“. Mit ihrer Geschichte möchte sie Andere ermutigen, ihre Träume im Leben zu verwirklichen – egal was im Leben passiert. www.christinawechsel.com Instagram: @christina_change_