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- Nicht mit ihr!
STRIVE+ | Steffi Jones (49) ist die erfolgreichste und bekannteste Fußballerin Deutschlands. Dennoch zog sie sich vor einigen Jahren von der großen Bühne zurück. In dem System, das der DFB (Deutscher Fußball- Bund) um ihren Herzenssport gebaut hat, wollte sie nicht länger mitspielen. Ihre Kritik am Verband war scharf und öffentlich. 2022 kommt sie zurück, in einer neuen Rolle. Denn woran sie nie aufgehört hat zu glauben, ist: Fußball hat die Kraft, Menschen stark zu machen. Ein Gespräch über die Gleichstellung von Frauen in einer Männerdomäne – und innere Freiheit.
- Wie man ein Millionen-Unternehmen aufbaut
Gastbeitrag | Der Weg zum erfolgreichen Unternehmen ist weit. Doch viele Menschen haben ihn erfolgreich beschritten. Wer es ihnen gleich tun will, sollte einige goldene Regeln beachten – und sich Unterstützung holen. Viele Menschen haben den Traum von einem erfolgreichen Unternehmen. Doch auch wenn Träume und hohe Ziele gut sind, so muss doch jedem potenziellen Gründer und Unternehmer klar sein: Es braucht viel Leidenschaft, Engagement und Arbeit, um ein erfolgreiches Business aufzubauen. Doch wie gelingt es, innerhalb nur eines Jahres von null beginnend ein Unternehmen mit mehr als einer Million Euro Umsatz zu entwickeln? Was extrem ambitioniert klingt, ist trotzdem möglich, wie die eigene Erfahrung zeigt. Diese Erfahrung soll auch künftigen Unternehmer:innen zugutekommen, zum Beispiel mithilfe einiger goldener Regeln, die auf dem harten und steinigen Weg beachtet werden sollten. 1. Auf die Nische kommt es an Es muss nicht immer der große Massenmarkt sein, auf dem sich attraktive Umsätze erzielen lassen. Kleine Nischen sind häufig besser geeignet, weil sich dort eine interessante Zielgruppe passgenau und schnell adressieren lässt und der Wettbewerb geringer ist. Nischen sind in der Regel Marktlücken, in denen sich Verbraucher ein bestimmtes Produkt oder eine spezielle Dienstleistung wünschen, die aber in dieser Form auf dem Markt noch nicht vorhanden ist. Die Kunst ist es, diese Nische zu entdecken und zu bespielen. Dabei sollten Unternehmer:innen darauf achten, einen Markt zu finden, für den sie sich begeistern können und in dem sie ein gewisses Vorwissen haben. Dazu braucht es eine Marktanalyse, aus der hervorgeht, welche Felder ein Problem aufweisen, das noch nicht oder noch nicht ausreichend gelöst ist und in der ausreichend Kaufkraft für das darauf zugeschnittene Produkt vorhanden ist. 2. Klein und schlank beginnen Die Idealvorstellung eines:r Unternehmer:in beinhaltet Büro, Sekretariat und Dienstwagen. Doch zum Start des eigenen Betriebs müssen Gründer:innen den Gürtel eng schnallen. Wer sich nicht von Investor:innen und anderen Geldgeber:innen abhängig machen will, muss auf den Cashflow und auf die Kostenbasis achten. Im ersten Jahr hat der/die Unternehmer:in die wichtigsten Hüte selbst auf, ist CEO, COO, CIO und CFO in einer Person und noch dazu direkt am Kunden im Vertrieb tätig. Wer trotzdem Mitarbeitende einstellt, sollte diese vom ersten Tag auf Projekte buchen, damit jeder tagtäglich genau abgerechnet werden kann. Ein kleines Büro, vielleicht in einem Co-Working-Space, wo man sich Küche, Empfang und Toilette teilt, aber die Fläche schnell und flexibel erweitern kann, ist zum Beispiel eine gute Idee für den Start. 3. Der Mensch im Mittelpunkt Ein erfolgreicher Betrieb steht und fällt mit der Auswahl des richtigen Teams. Wer schnell wachsen will, braucht Kolleg:innen, die fachlich gut aufgestellt sind, die einen Gründungs-Spirit haben und bereit sind, am Anfang das zu tun, was nötig ist, um eine Nische zu besetzen: nicht auf die Uhr zu schauen und auch mal länger sitzen zu bleiben, wenn es die Situation erfordert. Es ist wichtig, in Bewerbungsgesprächen entsprechende Erwartungen klar zu formulieren. Das soll nicht heißen, die Work-Life-Balance zu vernachlässigen, denn eine ausgebrannte Belegschaft hilft niemandem weiter. Am Ende braucht es eine Unternehmenskultur, in der das gemeinsame Ziel im Mittelpunkt steht und alle Mitarbeitenden an einem Strang ziehen. 4. Das richtige Ziel setzen Ein gutes Controlling ist das Herz eines jeden Unternehmens. Wer sein Unternehmen nach nur einem Jahr zu einer Million Euro Umsatz führen will, muss diese Zahl auch dort definieren und sich anhand von Meilensteinen Zwischenziele setzen, wie man diese Million tatsächlich erreichen will. Das kann bei einem Produkt zum Beispiel die Menge sein, die verkauft werden muss, um den Betrag zu erreichen, oder bei einer Dienstleistung der nötige Tagessatz, den es braucht, damit am Ende unter dem Strich eine siebenstellige Summe beim Umsatz steht. 5. Alles auf Vertrieb Ohne Kund:innen gibt es keinen Umsatz. Viele Gründer:innen verlieren sich in organisatorischen und strategischen Tätigkeiten und vergessen, dass am Ende vor allem eines zählt: die Kundschaft! Das heißt, dass, neben dem Produkt selbst natürlich, die Akquise und Betreuung an erster Stelle stehen müssen. Deshalb sollten Gründer:innen auf dem Feld, auf dem sie agieren, idealerweise schon ein Netzwerk vorweisen können, auf das sie aufsetzen können. 6. Fokus und Verzicht Für Gründer:innen, die Familie und Freund:innen bedeuten die ersten Monate bei der Entwicklung eines Geschäfts sehr viel Verzicht. Ein Unternehmen gründet sich nicht nebenbei, und auch das sei gesagt: Wer Erfolg will, schafft das nur in den seltensten Fällen in einer 40-Stunden-Woche. Letztlich erlaubt die Anfangsphase einer neuen beruflichen Existenz nichts anders, als sich komplett auf das Neue einzulassen und darauf zu fokussieren. 7. Hilfe annehmen Niemand kann alles, auch wenn viele Menschen das glauben mögen. Unternehmer:innen müssen die eigenen Stärken zu 100 Prozent in den Dienst der Sache stellen. Doch dort, wo Schwächen sind, muss sich auch Gründer:innen Unterstützung holen. Wer heute schnell ein Unternehmen groß machen will, muss nicht die ganze Welt neu erfinden. Es gibt viele Menschen, die das meiste, was dem Unternehmen nun bevorsteht, schon erfolgreich gemeistert haben. Deshalb hilft es, sich von erfahrenen Menschen beraten zu lassen, was nötig ist, um zum Erfolg zu kommen. Erfahrungen lassen sich nicht ersetzen. Kein:e Gründer:in sollte den Fehler begehen zu glauben, gleich alle Fähigkeiten zu haben, die es für ein Top-Unternehmen braucht. Der Weg zum Unternehmer ist weit, und er ist in den seltensten Fällen gradlinig. Umso wichtiger ist es, sein Ziel nie aus den Augen zu verlieren und mit Mut und Leidenschaft zu kämpfen. Dann ist der wichtigste Schritt auf dem weiten Weg bereits getan. Über die Autorin: Corinna Reibchen begann nach ihrem berufsbegleitenden Studium an der Frankfurt School of Finance and Management ihre Karriere in der Finanzbranche und im Consulting, wo sie unter anderem als Partnerin bei Capgemini erfolgreich nationale und internationale Bankenprojekte leitete. Im Mai 2016 gründete sie mit passcon ihr eigenes Unternehmen, das sich mit Consulting, Outsourcing und Software-Fragen zum Thema Anti-Financial-Crime befasst und das sie innerhalb von nur drei Jahren zu einer internationalen Unternehmensgruppe mit zwölf Niederlassungen in acht Ländern und 500 Mitarbeitenden ausbaute. 2021 verkaufte sie passcon an das amerikanische Unternehmen AML RightSource. Trotzdem führt sie das Unternehmen weiter. Als Gründerin und Geschäftsführerin der AFC Academy, einer Online-Training-Plattform für Anti-Financial-Crime, sowie ihrer Unternehmerakademie und darüber hinaus als Autorin, Podcasterin und Kolumnistin hilft sie Gründer:innen und Unternehmer:innen dabei, Betriebe aufzubauen, zu skalieren und erfolgreich zu verkaufen. Ihr Buch „So geht Erfolg“ wurde 2019, ihr Podcast „So geht Erfolg – Unternehmertum von A bis Z“ im Oktober 2021 veröffentlicht. Corinna Reibchen wurde mehrfach mit internationalen Preisen ausgezeichnet.
- Gründen? Dann aber öko, bitte
Kolumne | Michael Fritz, einer der Gründer:innen von Viva con Aqua, findet, dass man heute ohne sozialen oder ökologischen Hintergedanken nicht mehr gründen sollte. Wer versuche, Ökonomie, Ökologie und Soziales in Einklang zu bringen, helfe am Ende allen, schreibt er in seiner Nachhaltigkeits-Kolumne. Eine Sache vorweg: Dass ich diese Kolumne schreiben und meine Gedanken in diesem Rahmenöffentlich äußern darf, ist ziemlich unglaublich. Und ein bisschen absurd. Es ist noch gar nicht so lange her, da hätte mich niemand beachtet. Kein Uniabschluss (immerhin 26 Semester studiert!), keine Ausbildung, ich bin kein Manager und zu meinem Glück und zum Wohle der Organisation auch kein CEO mehr (das ist einfach nicht wirklich meine Stärke). Genau genommen habe ich gar keine ordentliche Berufsbezeichnung. Ich bin Aktivist. Aber ich habe das Privileg, meinen aktivistischen Drang in aller Freiheit ausleben zu können – und dafür bezahlt zu werden. Denn bei Viva con Agua haben wir irgendwann angefangen, Aktivismus auch wirtschaftlich zu denken. Haben uns soziale Businessmodelle ausgedacht, die immer auch einen Mehrwert für die Projektarbeit von Viva con Agua haben. Ohne, dass eine soziale oder ökologische Komponente integriert ist, macht es meiner Meinung nach keinen Sinn mehr, ein Unternehmen zu gründen, in einer Welt, die vom Klimawandel bedroht ist, in der große Ungerechtigkeit herrscht, in der Menschen noch immer aufgrund ihrer Herkunft, ihres Geschlechts, ihrer sexuellen Neigung oder einer körperlichen Beeinträchtigung diskriminiert werden. In der knapp 500 Millionen Menschen keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser haben, ohne das sie nicht leben können, und knapp zwei Milliarden Menschen keine sanitäre Basisversorgung. Wir machen es den Menschen damit einfach, sich sozial zu engagieren – und alle profitieren. Mein aktuelles Lieblingsbeispiel: die Villa Viva – ein soziales Gasthaus, in dem jede/r Besucher:in schlafend Gutes tun kann. Das erste hat gerade in Kapstadt, Südafrika, eröffnet, ein zweites entsteht derzeit in Hamburg. Mithilfe von Investor:innen, die ihr Geld lieber sozial als rein profitorientiert anlegen, konnten wir ein Modell bauen, das es Viva con Agua ermöglicht, mit ei- nem Großteil der Gewinne aus dem Gasthausbetrieb Trinkwasser- und Sanitärprojekte zu unterstützen. Ohne selbst einen Cent investiert zu haben. Was ich daran so mag: Wir machen es den Menschen damit einfach, sich sozial zu engagieren – und alle profitieren. Die Investor:innen, die das Gesamtpaket offenbar so attraktiv finden, dass sie uns ihr Geld anvertrauen und damit etwas Gutes bewirken. Die Gäste, die einfach nur in der Villa Viva übernachten und das Haus und unsere Vision mit Leben füllen. Viva con Agua selbst und last but definitely not least die vielen Menschen, deren Lebensbedingungen sich durch den Zugang zu Trinkwasser und Toiletten so deutlich verbessern. Das geht raus an alle Unternehmer:innen da draußen und solche, die es in Zukunft werden wollen: Wenn ich es hinkriege, mir soziale Businessmodelle zu überlegen und erfolgreich umzusetzen, dann könnt ihr das schon lange. Wir alle, gerade in einem Land wie Deutschland, können unsere Zugänge, Ressourcen und Privilegien noch deutlich besser einsetzen und noch viel mehr darauf achten, dass wir anderen Menschen nicht schaden, niemanden ausbeuten und so wirtschaften, dass nicht nur wir selbst profitieren. Die Zeit der individuellen Profitmaximierung ist vorbei. Jetzt kommt die Ära der Impact-Maximierung und des All-Profit! Über die Autorin: Michael Fritz (39) ist Mitgründer von Viva con Agua, einer internationalen Organisation, die sich weltweit für den Zugang zu sauberem Trinkwasser einsetzt. Er ist aber vor allem Konzeptionsaktivist und der Meinung: Etwas zu gründen, das keinen gesellschaftlichen Mehrwert hat, hat in der heutigen Zeit keinen Sinn mehr. vivaconagua.org
- Deutschland digital: Klappt die Transformation?
Kolumne | Deutsche arbeiten perfekt – genau das fällt ihnen bei der digitalen Transformation auf die Füße, schreibt Philipp Deperieux. Statt auf Kontrolle sollten wir auf etwas anderes setzen . Ich sehe gescheiterte Transformationen überall. Warum? Der Hauptgrund, gerade in Deutschland, ist, dass viele Entscheider:innen die digitale Transformation als Technikvorhaben betrachten. Sie fokussieren auf Tools, Hard- und Software, Prozesse. Dabei müssten sie zuerst auf die Menschen in und um ihre Organisationen blicken. Sie bei ihren Ängsten, Vorbehalten und mit ihren Ideen abholen. An der Kund:innenschnittstelle geht es darum, Schmerzpunkte herauszufinden und neue Prozesse und Geschäftsmodelle an diesen auszurichten. Bremsklotz Ingenieurdenkende Das, was uns jahrzehntelang groß gemacht hat, bremst uns heute aus: unser perfektionistischer Ingenieursethos. Die Denke und das Handeln in Pflichten- und Lastenheften sowie Wasserablaufdiagrammen. So entstehen deutsche Digitalprodukte, -prozesse und -plattformen. Das Problem dabei ist, dass die Entwicklungszeiten viel zu langwierig und kostspielig sind und die Produkte und Services meist nicht in iterativen Prozessen entwickelt und getestet werden – reale Daten können so nicht gesammelt werden. Hier müssen Unternehmen in den Startup-Modus umschalten: Geschwindigkeit ist bei der digitalen Transformation wichtiger als Kontrolle. Produkte und Services müssen, wenn die Schmerzpunkte der Kund:innen bekannt sind, sofort prototypisch entwickelt und getestet werden. Die Methodiken für die Umsetzung heißen Design Thinking und Lean Startup. Das sind keine Buzzwords, sondern Garanten und DAS neue Mindset für den Transformationserfolg. Ein weiterer Scheitergrund ist der fehlende Support vom Top-Management. Ohne den wird der Wandel nie gelingen. Es werden mutige Manager:innen benötigt, die niemals Cover Your Ass entscheiden, ihren Mitarbeiter:innen emphatisch und offen begegnen und dabei klar auf das große Transformationsziel hin navigieren. Transformation kann nie inhouse beginnen Viele Unternehmen beginnen ihre digitalen Transformationsvorhaben rund um die Kund:innenschnittstelle innerhalb ihrer Unternehmen. Bedenkenträger:innen an runden Tischen, strikte Unternehmensregeln und komplexe -prozesse verhindern dann ein schnelles Umsetzen sowie eine agile nutzerzentrierte Entwicklung. Der Erfolg bleibt meist aus. Die Lösung ist hier der geschützte Raum mit eigenen Ressourcen, in dem Teammitglieder außerhalb der Unternehmensregeln schnell Produkte validieren und verwerfen können und eine agile Testumgebung bekommen. Stimmen dann die ersten Daten der getesteten Vorhaben, ist aber essenziell, diese schnell wieder zurück in die Kernorganisation zu transferieren. Dort werden dann die validierten Vor- haben, Produkte und Services nicht nur vorgestellt, sondern technisch weiterentwickelt und am Markt platziert bzw. skaliert. Über den Autor: Philipp Depiereux ist Founder und CEO des Non-Profit- Formats ChangeRider und hat das Buch „Werdet Weltmutführer“ geschrieben. Zuvor hat er – nach diversen Stationen im Mittelstand – den Digitalpionier etventure gegründet und an EY verkauft. Er ist verheiratet, hat vier Kinder und lebt in München.
- New work statt new Murks
Strive+ | New Work verlangt von uns, flexibel zu sein, schreibt Gitta Blatt in ihrer Leadership-Kolumne. Beruflicher Erfolg hängt aber auch von anderen Faktoren ab. Seit geraumer Zeit werden Veränderungen bei der Arbeit mit Buzzwords wie New Work, Human Centric oder komplett neuem Work Design beschrieben. Was die vielen Unternehmen hier machen, ist oft aber kein New Work, sondern allenfalls Old Work de luxe mit gelockertem Label von Ortsunabhängigkeit oder zeitlicher Flexibilität. Wie können Sie dabei Ihren Weg in eine echte veränderte Arbeitswelt finden – und vor allem sie selbst gestalten? Ich sehe viele, die noch nicht gut mit den hybriden Modellen umgehen können und denen der Funke aus den gemeinsamen Live-Gesprächen face-to-face zum erfolgreichen Handeln und Entscheiden fehlt. Zusammenarbeit und Kommunikation werden schwieriger. Mein Rat: Werden Sie aktiv! 1. STARTEN SIE MIT EINER EHRLICHEN ANALYSE ZUR ZUSAMMENARBEIT Nehmen Sie sich Zeit, konkret über die Zusammenarbeit in Ihrem Team zu sprechen. Welche Gruppen treffen welche Entscheidungen? Lernen Sie die Arbeitsweise anderer Teams kennen. Lernen Sie Netzwerken. Schreiben Sie auf, was Sie neugierig macht, und gehen Sie dieser Neugier nach. Stellen Sie anderen Fragen, die Sie nie gestellt haben, und gehen Sie auf Kolleg:innen zu, die Sie nicht kennen. Verstehen Sie Ihren Anteil am Unternehmenserfolg als ein Puzzlestück, das keinen Sinn macht, wenn es nicht zu anderen passt. Ihr individueller Erfolg hängt vom Erfolg des Teams ab. HR wird aus den Teams heraus gemacht. Alles andere ist Old Work de luxe. 2. BASIEREN SIE DARAUF IHRE LERN-JOURNEY Sich fortlaufend weiterzubilden, sei es fachlich, methodisch oder persönlich, ist unverzichtbar geworden. Ich sehe wenige, die das wirklich konsequent für sich nutzen. Was möchten Sie erreichen? Ich frage nicht nach dem Titel, sondern nach Ihrem Wunsch, was Sie können möchten in einem Jahr, um für sich selbst und mit anderen besser zu sein. Lernen Sie, durchzuhören und teilzunehmen, auszuprobieren und sich auszutauschen. Persönlichkeitsentwicklung hängt Großteils von informellem Lernen ab und ist oft wichtiger als das formelle Lernen in Studien oder Kursen. Bauen Sie Ihren Masterplan und integrieren Sie ihn in Ihren Alltag. 3. ENTWICKELN SIE EIN HILFREICHES MINDSET Es wird keine klaren Team-Abgrenzungen geben. Teams werden nicht mehr organisatorisch, sondern inhaltlich am Thema ausgerichtet sein. Das erfordert loslassen können und Verantwortung teilen lernen. Es braucht Souveränität bei Kontrollverlust. Kontrollverlust ist unabdingbar, bei gleichzeitig stattfindenden Handlungssträngen, die sich kreisend statt linear top-down entwickeln. Für all das sind klare und transparente Ziele wichtig – und Fokus. Hinterfragen Sie sich und andere regelmäßig, unterstützen Sie sich gegenseitig. Dann sind Sie schon ein:e Treiber:in des neuen „People Managements“ – das nicht mehr aus einer HR-Abteilung heraus, sondern dezentral aus den Teams für die Teams gemacht wird. Mit Ihnen mittendrin. Über die Autorin: Gitta Blatt (57) ist Gründerin der Gitta Blatt HR-Strategy GmbH, sie unterstützt Unternehmen bei der Personalstrategie und HR-Projekten. Zuvor war sie Managing Director Human Resources des Dentsu Aegis Network in Deutschland und Executive Vice President HR von Sky Deutschland. Seit Januar ist Blatt auch Chief Human Resources Officer des FinTechs sevDesk. gittablatt.eu
- Die Woche ist geplant, dann kommt das Chaos – oder auch nicht?
Kolumne | Julia Bösch zählt zu Deutschlands erfolgreichsten und bekanntesten Gründer:innen. Die 37-Jährige ist CEO und Mitgründerin von Outfittery, einem der innovativsten E-Commerce-Unternehmen in Europa. Uns erzählt sie von unvorhersehbaren Aufgaben und der Herausforderung, diese kurzfristig in die Arbeitswoche zu integrieren ohne tägliche Aufgaben dabei zu vernachlässigen. Wir haben ihn alle schon mal erlebt: Diesen Moment, in dem eine eigentlich richtig gut durch geplante Woche plötzlich komplett auf den Kopf gestellt wird. In meinem Fall wurde dieser von einer Email ausgelöst: „Liebe Frau Bösch, am Donnerstag verleihen wir den diesjährigen Deutschen KI-Preis. Wir haben Sie ausgewählt die Laudatio für Jonas Andrulis zu halten.“ Ähem. Wow! Klar! Natürlich! Was für eine Ehre! Und dann kickt er langsam rein… der Reality-Check. Heute ist Montag, der Award findet in drei Tagen statt, ich habe in meinem Leben noch keine Laudatio gehalten – und die ToDo-Liste läuft ohnehin schon über! Wer mich kennt weiß, dass ich sehr gerne neue Sachen ausprobiere. Wenn sich der innere Widerstand bemerkbar macht, wenn Aufgaben zu Herausforderungen werden, wird es für mich erst so richtig spannend. In meiner Short-Intro, die ich neuen Mitarbeiter:innen schicke, damit sie beim Outfittery-Start ein bisschen mehr über mich erfahren, stehen auf einer Seite meine 5 wichtigsten Werte: Freiheit, Leidenschaft, Optimismus, Mut, Neugierde. Auch deshalb, aus der reinen Vorbildfunktion heraus, war eine Absage keine Option. Ciao Komfortzone! Hallo Herausforderung! Ich startete also meine kleine Reise raus aus der Komfortzone, rein ins Abenteuer. Erstmal machte ich mir das typische Trello-Board mit allem, was ich vorbereiten musste und wollte. Visuelles Arbeiten mit To-Dos hilft mir auch in Extremsituationen den nötigen Überblick zu behalten. Das Wichtigste? Die Recherche! Ich googelte den Preisträger und sein Start-up, schaute mir stundenlang Videos von, vom Internet für gut befundenen, Laudatios an und überlegte, welche persönlichen Erfahrungen ich in meine Rede einfließen lassen könnte. Die Themen KI (künstliche Intelligenz) und Algorithmen sind für Outfittery unter anderem für die persönliche Auswahl der Stylist:innen essentiell – in unserem Tech & Data- Team arbeiten mehr als 50 Leute. Ich versuchte die Award-Recherche also auch dafür zu nutzen mich noch tiefer einzuarbeiten und neue Impulse zu erlangen. Das alles dauerte natürlich. Freitag ist Freiheit! Ich brauchte Zeit, die ich in dieser Arbeitswoche eigentlich nicht hatte – schließlich durfte mein Daily Business natürlich weder liegen bleiben noch vernachlässigt werden. Es blieb also nicht aus, die eine oder andere Stunde abends dranzuhängen. Eine Tatsache spielte mir außerdem in die Karten: Seit einiger Zeit praktiziere ich das Konzept des „Inspiration Friday“. Statt von Meeting zu Meeting zu springen, steht der Freitag ganz im Zeichen der Inspiration und des „Deep Thinkings“. Ich nehme mir Zeit tief in Themen einzutauchen und neue Ideen und Strategien für Outfittery zu entwickeln. Das sorgt für Kreativität, Flexibilität und in meinem Fall für ein wenig Ruhe, da ich einen Teil der Aufgaben dieser Woche auf den Freitag verschieben konnte. „I am Superwoman! “ Die dadurch gewonnene Zeit rettete mich. Die Tage vergingen wie ein Wimpernschlag – plötzlich war der Donnerstag da. Je näher die Preisverleihung rückte, desto aufgeregter wurde ich. Warum hatte ich mich bloß darauf eingelassen? Zum Glück erinnerte ich mich an den Tipp einer Coachin, die ich mal für ein Seminar zu Outfittery eingeladen hatte: Kurz vor meinem Auftritt ging ich ins Badezimmer und nahm die Superwoman-Haltung ein: machte mich groß, spannte den Körper an, atmete tief durch. Eine beliebte Methode zur Steigerung des Selbstbewusstseins. Sie funktionierte! Während der Laudatio fühlte ich mich souverän und ruhig – danach total zufrieden und voller Adrenalin. Ich war froh, mir genügend Zeit für die Vorbereitung genommen zu haben, glücklich über die Hilfsbereitschaft in meinem Team und stolz auf meinen Mut, die Herausforderungen angenommen und die ein oder andere Aufgabe zur Seite geschoben zu haben. Nicht auszudenken, wie mein Stresslevel in die Höhe geschnallt wäre, wenn ich mich auch noch um mein Laudatio-Outfit hätte kümmern müssen. Aber dafür habe ich ja zum Glück ein eigenes Unternehmen gegründet. Über die Autorin: Julia Bösch ist CEO und Mitgründerin von OUTFITTERY, Europas führendem Personal Shopping Service für Frauen und Männer. Ihre berufliche Karriere startete sie 2009 bei Zalando. Begeistert vom E-Commerce und seinen technologischen Möglichkeiten, gründete sie 2012 gemeinsam mit Anna Alex OUTFITTERY. Die 37-jährige zählt zu Deutschlands erfolgreichsten und bekanntesten Gründer:innen und hat eines der innovativsten E-Commerce-Unternehmen in Europa aufgebaut.
- „Als ich anfing, meine Ziele zu definieren, veränderte sich alles“
What's your Story? | Alison Tierney will aus dem Cloud-Computing-Unternehmen Snowflake einen Konzern machen, der in einem Atemzug mit Google genannt wird. Dass sie jetzt in der richtigen Position dafür ist, war lange nicht selbstverständlich. Hier erklärt sie, wie sie es aus dem mittleren Management ganz nach oben geschafft hat. Was genau ist Ihr Job, wie und mit was beeinflussen Sie die Ausrichtung Ihres Unternehmens? Ich bin seit zwei Jahren für die Vertriebsaktivitäten und Sales-Teams von Snowflake in Europa, dem Nahen Osten und Afrika (EMEA) verantwortlich. Snowflake beschäftigt in der EMEA-Region derzeit mehr als 650 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und ich trage dazu bei, unsere Gesamtstrategie umzusetzen. So unterstütze ich die Country-Manager bei der Entscheidung, welche Branchen wir innerhalb eines Landes angehen und entscheide, wohin wir als nächstes expandieren möchten. Dieses Jahr haben wir in den Vereinigten Arabischen Emiraten und in Israel Fuß gefasst, und wir planen auch nach Osteuropa zu expandieren. Was muss eingetreten sein, damit Sie sagen Sie waren erfolgreich? Als Sales-Team haben wir Quartalsziele, daher ist das Erreichen dieser Vorgaben ein absolutes Erfolgskriterium. Und wenn ich die Logos der neuen Kunden sehe, die wir gewinnen konnten, empfinde ich das ebenfalls als Erfolg. Ein weiteres persönliches Erfolgskriterium ist es, neue Mitarbeitende einzustellen und zu halten während wir weiterwachsen. Wir haben eine ganz besondere Kultur bei Snowflake, und deshalb ist es wichtig, gute Mitarbeitende zu halten und diese Kultur zu bewahren. Unser Erfolg hängt von den richtigen Mitarbeitenden ab. Wie gehen Sie mit Dingen um, die Sie nicht gut können? Ich bitte um Hilfe. Wir haben bei Snowflake eine erstaunliche Vielfalt an Menschen mit unterschiedlichen Erfahrungen und Hintergründen auf allen beruflichen Ebenen. Wenn ich etwas nicht weiß, kann ich auf diese Vielfalt zurückgreifen und Kollegen bitten, mich mit ihrem Wissen zu unterstützen. Meine persönliche Vision ist es, dass Snowflake zu einem Begriff wird wie Microsoft oder Google – einer, den jeder kennt. Was ist Ihre Vision für Ihr Unternehmen? Auf unternehmerischer Ebene ist es unsere Vision, bis 2029 einen Produktumsatz von zehn Milliarden Dollar zu erreichen, und wir stehen erst am Anfang des Geschäftsjahres 2023. Meine persönliche Vision ist es, dass Snowflake zu einem Begriff wird wie Microsoft oder Google – einer, den jeder kennt. Wenn das in der Zukunft eintritt, möchte ich sagen können: "Ich war dabei, als Snowflake einen neuen Markt definiert hat." Wie würde ihr Team Sie beschreiben? Geradlinig, einfühlsam und charismatisch. Obwohl ich denke, dass es wahrscheinlich noch ein paar andere Worte gibt, die ich nicht laut aussprechen würde! Wann haben Sie das letzte Mal „nein“ gesagt? Vor etwa einer halben Stunde zu einem Kunden, mit dem wir in Verhandlungen standen. In meinem Job sage ich oft "nein" zu einer Reihe von Dingen: Anfragen für Preisnachlässe, Vorstellungsgespräche, zu Bewerbern, die nicht ins Unternehmen passen – wir müssen wirklich vorsichtig sein, wen wir ins Unternehmen holen. Ich sage häufiger "nein", als ich es zu diesem Zeitpunkt erwartet hätte. Was sind die ersten drei Dinge, die Sie im Büro (oder Home Office) machen? Ich persönlich habe keinen typischen Arbeitstag, so dass die drei wichtigsten Dinge auf meiner Aufgabenliste jeden Tag wechseln. Im Allgemeinen schaue ich als Erstes in meinen Kalender, aber dann verbringe ich einen Großteil meiner Zeit mit Telefonaten, bei denen ich andere Personen dabei unterstütze, ihre Ziele zu erreichen: Sei es, indem ich einem Kollegen dabei helfe, einen Verkauf abzuschließen, oder wenn ich mit einem Kunden darüber spreche, wie die Data Cloud von Snowflake die Ergebnisse für sein Unternehmen verbessern kann. An den meisten Tagen habe ich mit Daten zu tun. Ich verbringe viel Zeit damit zu analysieren, was wir intern mit Daten machen: Wie beeinflussen Daten unsere Entscheidungsfindung und helfen uns, möglichst effektiv zu sein? Die größte Herausforderung bestand darin, dass ich als US-Amerikanerin eine Führungsposition für das europäische Geschäft inne habe. Was hat Sie fachlich am meisten erstaunt? Was mich am meisten begeistert, ist, dass ich als Amerikanerin in den Niederlanden sitze und ein europäisches Unternehmen leite. Ich zwicke mich jeden Tag, um mich daran zu erinnern, dass dies wirklich passiert. Ich finde es erstaunlich, dass ich die Gelegenheit hatte, meine Fähigkeiten unter Beweis zu stellen und mich persönlich weiter zu entwickeln. Was war die größte Herausforderung, die Sie dabei überwinden mussten? Die größte Herausforderung bestand darin, dass ich als US-Amerikanerin eine Führungsposition für das europäische Geschäft inne habe. Der Versuch, sich in ein großes, stark expandierendes Unternehmen zu integrieren, ist schon schwierig genug, aber als dann noch die kulturellen und sprachlichen Unterschiede bei der Arbeit in einem anderen Land hinzukamen, war das für mich eine echte Herausforderung. Aber das Interesse an anderen Menschen und ihren kulturellen Lebensverhältnissen, die Lektüre von Büchern über Kultur (The Culture Map) und die Zeit, die ich damit verbracht habe, ein wenig über die Geschichte und Sprache jedes Landes zu lernen, in dem wir unternehmerisch tätig sind, haben mir eine problemlose Eingewöhnung ermöglicht, so dass ich diese Region leidenschaftlich und erfolgreich führen kann. Was hat Sie auf Ihrem Weg bislang immer weitergebracht? Der Rückhalt meiner Familie war während meiner gesamten Laufbahn eine große Hilfe. Sie haben mich sehr unterstützt, auch wenn sie nicht unbedingt etwas von Technologie oder Vertrieb verstehen. Selbst wenn sie Fragen stellten und bei meinen Entscheidungen die Augenbrauen hochzogen, wusste ich immer, dass sie hinter mir stehen. Die andere Kraftquelle sind Bücher. Ich lese sehr viele Bücher über Management und Führung, normalerweise habe ich immer drei oder vier Bücher zur Hand. Zurzeit lese ich „High Conflict” von Amanda Ripley. Darin geht es darum, wie man die richtige Art von Konflikten austrägt – denn Konflikte können manchmal auch gut sein. Dank der Unterstützung meiner Familie bin ich in der Lage zu tun, was ich am liebsten tue, aber das Lesen hilft mir, mein Gehirn auf neue Weise zu fordern. Was hat Sie immer behindert? Wie die meisten Menschen mit unterschiedlichem Hintergrund – sei es Geschlecht, Behinderung oder Herkunft – bin ich von Vorurteilen beeinflusst worden. Sie verlangsamen die Dinge und erfordern mehr Bemühungen, um das zu erreichen, was man will. Ich musste mit einem Altersvorurteil fertig werden, da ich recht jung war, als ich meine Karriere im Vertrieb begann. Es kann schwierig sein, ein Team zu führen, wenn die Leute Probleme mit deinem Alter haben. Ich bin auch auf Vorurteile gestoßen, weil ich eine Frau bin, und der Vertrieb (insbesondere der technische Vertrieb) ist traditionell ein von Männern dominierter Bereich. Ich wurde nicht befördert oder bekam keine Stelle, weil man mir sagte, ich sei zu jung oder zu laut, was eigentlich bedeutet: „Du bist zu weiblich“. „Als ich das Angebot erhielt, die USA zu verlassen und in die Niederlande umzuziehen, musste ich meiner Familie den Umzug schmackhaft machen.“ Was werten Sie als Ihren größten Erfolg? Mein größter Erfolg war es, als US-Amerikanerin in Europa ein wachstumsstarkes Unternehmen zu leiten - und das mit Erfolg. Snowflake hat in den drei Monaten bis zum 31. Oktober 2021 in der EMEA-Region einen Produktumsatz von 44,3 Mio. US-Dollar erzielt und damit ein Wachstum von 174 Prozent im Vergleich zum Vorjahr erreicht. Ich bin stolz darauf, dort zu sein, wo ich bin, und in der EMEA-Region wichtige Entscheidungen zu treffen. Das ist nicht mein ursprüngliches Arbeitsfeld, in dem ich das Verkaufen gelernt habe. Daher ist es wirklich aufregend und erfüllend, Teil einer anderen Arbeitswelt zu sein und jeden Tag etwas Neues zu lernen. Und das alles verdanke ich Snowflake, die an mich geglaubt und mir diese Chance gegeben haben. Was als Ihren größten Misserfolg? Das ist etwas Persönliches. Ich bin seit 20 Jahren im Vertrieb tätig. Ich glaube, ich bin ziemlich gut im Verkaufen. Als ich das Angebot erhielt, die USA zu verlassen und in die Niederlande umzuziehen, musste ich meiner Familie den Umzug schmackhaft machen. Leider konnte ich meinen 16-jährigen Sohn nicht überzeugen. Er hat sich entschieden, in Portland zu bleiben. Er geht noch zur High School und lebt bei einem Familienmitglied. Wenn ich also zurückblicke, ist das definitiv ein Moment, in dem ich sage: „Oh, das war schlecht." Ich denke, ich hätte es besser machen und ein anderes Ergebnis erlangen können. Was war der größte Fehler, den Sie während Ihrer Karriere gemacht haben (und welches Learning ziehen Sie daraus)? Zu Beginn meiner beruflichen Karriere war ich nicht gut darin, schnell und effizient zu artikulieren, was ich wollte. Ich erwartete, dass mich jemand sehen und mir einfach eine Beförderung in meinem Traumjob geben würde. Als ich anfing, meine Ziele genauer und konkreter zu formulieren und sagte: „Ich möchte gerne einen internationalen Job haben", begannen sich die Dinge zu meinen Gunsten zu verändern. Hätte ich es nicht laut gesagt, wären sie nicht zustande gekommen. Ich habe zu lange gebraucht, um das herauszufinden. Ich habe Jahre im mittleren Management vergeudet, obwohl ich wusste, dass ich so viel mehr erreichen könnte, aber mir war nicht klar, warum mir diese Möglichkeiten nicht angeboten wurden. Man muss die Verantwortlichen fragen, erklären und ihnen sagen, was man will, damit man in den Köpfen der Leute ist. Heute bin ich mir über meine Erwartungen und meine Wünsche sehr im Klaren. Ohne was können Sie nicht arbeiten? Mein Telefon. Eigentlich alle meine Kommunikationsgeräte, wie meinen Computer und mein Tablet. Bei meiner Arbeit geht es zu 100 Prozent darum, mit Menschen zu kommunizieren; wenn ich nicht kommunizieren kann, bin ich tot. Welche drei Apps sind am nützlichsten für Ihren Job? Messenger-Apps wie Whatsapp, Slack und iMessage sind für meine Arbeit unerlässlich. Wir sind auch aktive Nutzer von Tableau, einem Tool zur Datenvisualisierung - wir verarbeiten viele Daten, also muss ich Dinge visualisieren, sie verschieben, mir unterschiedliche Dashboards ansehen und so weiter. Und zu guter Letzt ist Zoom in der heutigen Arbeitswelt sehr praktisch. Wie organisieren Sie sich und Ihre To-Dos? Ich bin da old-school und arbeite mit Papier und Stift, also steht alles in meinem Notizbuch. Ich werfe jeden Tag einen Blick darauf und setze mich am Ende der Woche hin und gehe meine Notizen durch, um zu überprüfen, was ich erreicht habe. Ich habe viele handgeschriebene To-Do-Listen. Wenn Sie eine Zeitreise zu Ihrem 20-jährigen ich machen könnten, welchen Karrieretipp würden Sie sich geben? Mit 20 war ich auf dem College und studierte Strafjustiz. Ich würde das nicht anders machen, aber ich würde mir selbst raten, ein paar Kurse in Betriebs- oder Volkswirtschaft zu belegen. Nur ein paar dieser Kurse hätten mich wahrscheinlich beruflich weitergebracht, da ich mir viele der Dinge, die ich gelernt habe, selbst beibringen musste. Wenn Sie einen Tag lang an den Schalthebeln der Macht sitzen würden (Beispiel Kanzler:in), was würden Sie tun? Wenn ich US-Präsidentin wäre, würde ich Zeit dafür investieren, das Wohlstandsgefälle in den USA zu beheben und Probleme wie Obdachlosigkeit anzugehen. Wie können wir den Menschen, die sich mühsam durchschlagen müssen, mit Sozialleistungen helfen? Wenn ich in einer europäischen Regierung säße, würde ich mir etwas mehr Macht wünschen, um direkte Maßnahmen ergreifen zu können. Ich habe das Gefühl, dass die Regierungen in Europa und insbesondere in den Niederlanden sehr konsensorientiert sind. Das kann einerseits gut sein, andererseits kann es in Krisenzeiten zu einer verzögerten Entscheidungsfindung führen, weil man auf eine entsprechende Einigung wartet. Manchmal jedoch gelingt es nicht, auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen. Was ist der beste Tipp, den Sie je bekommen haben? „Gehe jede Situation so an, als hättest du sie vorher noch nie erlebt." Diesen Ratschlag habe ich kürzlich von einem meiner Mentoren aufgeschnappt. Der Gedanke dahinter ist, dass man mit zunehmender Lebens- und Berufserfahrung anfängt, Annahmen zu treffen: Man sieht einen Elefanten und geht davon aus, dass es ein Elefant ist, der auf die gleiche Weise reagiert wie zuvor. Dabei könnte es sich in Wirklichkeit um ein ganz anderes Tier handeln. Wenn Sie mit einem Problem oder einer Herausforderung konfrontiert werden, auch wenn Sie es schon kennen, sollten Sie zunächst einen Schritt zurückgehen und sich fragen: "Wenn ich das noch nie gesehen hätte, wie würde ich es jetzt angehen?" Das ist nicht immer möglich, aber es hilft Ihnen, neue und interessante Lösungen zu finden, auf die Sie nicht kommen würden, wenn Sie sich von Ihrer Erfahrung leiten lassen. „Ich habe das Glück, dass Kunden, Personen aus der Branche und Kollegen zu meinen Mentoren wurden.“ Was ist Ihr Tipp für Verhandlungen? Hören Sie mehr zu als zu reden, und versuchen Sie zu verstehen. Es ist leicht, Vermutungen darüber anzustellen, was jemand will. Wenn Sie jedoch Folgefragen stellen und wirklich versuchen nachzuvollziehen, was die Person auf der anderen Seite des Tisches zu lösen oder zu erreichen versucht, können Sie in der Regel zu einem besseren Ergebnis kommen, mit dem beide Parteien zufrieden sind. Wenn es zum Beispiel um eine Gehaltsverhandlung geht, ist es für die Person vielleicht wichtiger, andere Arbeitszeiten und mehr Flexibilität zu vereinbaren, als mehr Geld . Welches Buch hatte am meisten Einfluss auf Ihre Karriere? Ich lese so viele Bücher, dass es schwer ist, eines auszuwählen. Aber „Principles" von Ray Dalio kommt mir in den Sinn. Es ist ein Buch, das ich immer wieder lese, weil es so viel zu bieten hat. Ich lese viel von den „Stoics", was mir hilft, mein Leben aus einer anderen Perspektive zu betrachten, und mich daran erinnert, tief durchzuatmen und so ruhig wie möglich zu bleiben, in einem Beruf, der sehr energiegeladen sein kann. Wer ist Ihr Vorbild? Im Laufe der Jahre habe ich viele Vorbilder gefunden. Ich habe das Glück, dass Kunden, Personen aus der Branche und Kollegen zu meinen Mentoren wurden. Sie alle haben dazu beigetragen, mich dorthin zu bringen, wo ich heute stehe, daher kann ich niemanden speziell hervorheben. Aber es gibt viele wirklich starke Frauen in der Welt, die interessante und aufregende Dinge tun. Wen sollten wir als nächstes Interviewen? Roisin McCarthy, Mitbegründerin einer britischen Initiative namens “Women in Data”, die sich für eine stärkere Vertretung von Frauen in der Datenbranche einsetzt. Sie ist äußerst intelligent und setzt sich leidenschaftlich dafür ein, dass mehr Frauen die Möglichkeit erhalten, in der Technologiebranche zu arbeiten. Es liegt ihr sehr viel daran, mehr Gleichberechtigung und Parität in der Welt zu schaffen. Über die Person: Alison Tierney ist General Vice President für die EMEA-Region bei Snowflake, wo sie sich auf den Aufbau des Teams und die strategische Ausrichtung konzentriert, um das dynamische Wachstum von Snowflake in dieser Region zu fördern. Alison ist eine erfolgreiche Vertriebsleiterin mit 20 Jahren Erfahrung in der Software- und Business Applications- Industrie. Ihre Vertriebserfahrung reicht von Start-ups wie AppDynamics bis hin zu renommierten Großunternehmen wie IBM, HP und Oracle. In ihren früheren Positionen hat sie zahlreiche neue Kunden gewonnen, Wachstumsstrategien entwickelt und große Teams von professionellen Vertriebsmitarbeitern geleitet.
- Immobilien: Klein, aber mein
Strive+ | Eine vermietete Wohnung als Investment, für dich man nicht viel Eigenkapital braucht und die sich selbst finanziert – wie geht das?
- Leadership in der Bundeswehr: Hierarchie und Freiheit
STRIVE+ | Wie geht moderne Führung, wenn man auf Hierarchie nicht verzichten kann? Das haben wir Dr. Nicole Schilling (47) gefragt. Die derzeit jüngste aus dem Kreis der deutschen Generale ist Vize im Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr. Und damit auch verantwortlich für den Nachwuchs. Frau Dr. Schilling, als Vize im Bundesamt für Personalmanagement ist es Ihre Aufgabe, junge Menschen für eine Laufbahn bei der Bundeswehr zu begeistern. Was hat Sie selbst nach der Schule von der Bundeswehr überzeugt? Ich bin als Soldatenkind in einer Kleinstadt bei Bonn groß geworden, in der es viele Soldatenfamilien gab. Es fühlte sich für mich natürlich an, mein Medizinstudium bei der Bundeswehr zu absolvieren und mich damit auch für 16 Jahre zu verpflichten. In meinem Abi-Jahrgang gab es bestimmt 15 Leute, die eine Offizierslaufbahn einschlugen. Ich war nicht mal die einzige Frau. Das war 1993. Im Sanitätsdienst gibt es seit Mitte der 70er-Jahre Soldatinnen. 2001 wurden Frauen auch für den Dienst in Kampfeinheiten zugelassen. Wie haben Sie diesen Umbruch erlebt? Anfangs gab es ganz viele neue Regeln und auch Unsicherheiten, wie man die Soldatinnen bestmöglich unterbringt und integriert. Es gab beispielsweise Frauenflure, die Männer nicht betreten durften – fast wie in einer Jugendherberge. Es mussten auch ganz profan bauliche Maßnahmen ergriffen werden, wie das Einrichten getrennter Sanitärräume. Heute sind wir da natürlich viel besser aufgestellt, der weibliche Zuwachs ist kontinuierlich gestiegen. Es gibt in allen unseren Bereichen Frauen, wenn auch nicht überall gleich verteilt. Wo sind es mehr, wo weniger? Im Sanitätsdienst beträgt der Frauenanteil 50 Prozent. Bei den Spezialkräften sind die körperlichen Voraussetzungen für die Aufnahme so hoch, dass auch die meisten Männer scheitern. Dort ist die Quote deutlich niedriger. Unsere Zielmarke des Frauenanteils bei den Streitkräften für die gesamte Bundeswehr ist 15 Prozent, derzeit liegen wir bei knapp 13 – Tendenz steigend. Die sind noch nicht auf allen Hierarchieebenen durchgewachsen. Es dauert 25 Jahre, um in Spitzendienstgrade wie den des Offiziers zu gelangen. „Ich finde, Gleichstellung und echte Chancengerechtigkeit sind viel mehr als nur sprachliche Gleichbehandlung.“ Frau Offizier, Frau Hauptmann … Sie selbst werden mit Frau Generalarzt angesprochen. Wäre es nicht Zeit, die Dienstgrade anzupassen – sprich: zu gendern? In Stellenausschreibungen wird statt nach Panzerkommandanten bereits nach „Teamleitung (m/w/d) Panzertruppe“ gesucht. Die Diskussion findet derzeit noch intern statt, ist aber noch lange nicht abgeschlossen. Wir haben bei unseren Dienstgradbezeichnungen oft den Fall, dass es sich befremdlich anhört, wenn man sie gendert. Die fortschreitende Diskussion hierzu werde ich noch sehr aufmerksam verfolgen, möchte aber in puncto Frauen verstärkt auf Baustellen hinweisen, die derzeit viel schreiender sind als das. Zum Beispiel? Ich finde, Gleichstellung und echte Chancengerechtigkeit sind viel mehr als nur sprachliche Gleichbehandlung. Wie also gehen wir in der Personalführung damit um, dass Frauen rund um die Familienplanung bestimmte Dinge nicht tun können, diese aber gefordert sind, um den nächsten Karriereschritt zu absolvieren. Welche Dinge sind das genau? Wenn zum Beispiel eine Marineoffizierin weiter Karriere machen möchte, muss sie eine Zeit lang zur See fahren – und dabei Aufgaben wahrnehmen, die in einem bestimmten Karriereabschnitt anstehen. Fällt dies in die Phase der Familienplanung, ist dies nicht leicht zu lösen. Im Vergleich zu anderen Arbeitgeber:innen hat die Bundeswehr ein wenig progressives Image. Auch wegen der teilweise veralteten Ausrüstung. Wie erreichen Sie den Nachwuchs trotzdem? Wir wollen jährlich 20.000 Menschen einstellen, im Wesentlichen sind das junge Schulabgänger:innen. Wir greifen auf ein kleines Segment des Arbeitsmarkts zu. Deshalb müssen wir fortlaufend an uns arbeiten, und das hat verschiedene Dimensionen. Es reicht vom persönlichen Komfort bis hin zu einer zivilberuflich anerkannten Qualifizierung, die sie oder ihn im Anschluss an die durchschnittlichen acht bis zwölf Jahre bei der Bundeswehr für den normalen Arbeitsmarkt fit macht. Natürlich geht Personalmanagement mit der Ausrüstung Hand in Hand: Es nützt ja nichts, wenn wir 5.000 Leute einstellen und die ihre Aufgaben nicht erledigen können, weil nicht genügenden Panzer da sind. Kommen Sie auf die anvisierten 20.000 Neueinstellungen? Ja, wir haben kein Attraktivitätsproblem – aber einen Mangel in bestimmten Sparten. Und: Wir fordern von unseren Frauen und Männern viel. In der Marine zum Beispiel sind die Soldat:innen 200 Tage pro Jahr auf See, das muss man wollen und ist mit der Vorstellung einer Work-Life-Balance junger Menschen nicht unbedingt vereinbar. In der modernen Unternehmenskultur werden Hierarchien zunehmend abgeschafft – auch in Hinblick auf die Attraktivität des Arbeitsplatzes. Ist so etwas bei der Bundeswehr denkbar? Bei den klassischen Streitkräften gibt es dafür am wenigsten Potenzial. Dort sind Hierarchien erforderlich, um Aufträge erfolgreich zu erfüllen, ohne dass alles im Chaos endet. Aber: Es gibt auch Freiheitsgrade. Wir bilden Führungskräfte so aus, dass sie eigene Absichten formulieren und klar kommunizieren, wer welche Aufgabe hat und welche Ziele in welcher Priorität zu erreichen sind. Damit stecken sie den Rahmen, aber die darunter liegende Ebene kann das Erreichen der Ziele frei gestalten. Man sagt, die Bundeswehr ist mehr als nur ein Beruf. Es stimmt: Wenn einem Soldat oder einer Soldatin ein privates Schicksal zustößt, kümmern sich die Vorgesetzten darum. Hierarchien also ja, Mikromanagement nein … Richtig. Die Hierarchieebenen dienen im Gegenteil dazu, Freiheiten zu ermöglichen. Sie selbst arbeiten in einer zivilen Dienststelle. Wie geht es dort zu? Wie grüßt man sich, wird geduzt? Bei uns gibt es 50 Prozent zivile Mitarbeiter:innen und 50 Prozent Soldat:innen. Militärische Unterstellte grüßen die ihnen unmittelbar Vorgesetzten militärisch, und zwar in der Regel einmal am Tag morgens. Wir duzen uns schon auch, aber in der Tat geschieht das selten über die Hierarchieebenen hinweg. Trotzdem sind wir sehr eng miteinander. Man sagt, die Bundeswehr ist mehr als nur ein Beruf. Es stimmt: Wenn einem Soldat oder einer Soldatin ein privates Schicksal zustößt, kümmern sich die Vorgesetzten darum. In der Wirtschaft hat man das gewinnbringende Potenzial von Diversität längst erkannt. Wie hält man es bei der Bundeswehr damit? Homosexuelle etwa wurden jahrzehntelang diskriminiert, unter anderem indem ihnen die Tauglichkeit als Vorbild abgesprochen wurde. Ich habe hier in meiner Zeit eine wirkliche Veränderung wahrgenommen und erlebe, dass sich die Bundeswehr ehrlich um Offenheit bemüht. Wir haben Netzwerke wie QueerBw, die Interessenvertretung queerer Personen bei der Bundeswehr, die proaktiv auftreten und auf allen Ebenen Gehör finden. Diskriminierung wird nicht toleriert. Wir hatten mit Dr. Katrin Suder, die von der damaligen Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen berufen wurde, eine offen lesbisch lebende Staatssekretärin, die bei den Angehörigen der Bundeswehr ein hohes Ansehen genoss. Andere hätten sich damit bestimmt schwerer getan. Ist die Truppe heute tatsächlich bunt? Historisch ist Militär durch Uniformität, Konformität und Gruppe geprägt. Alle sollen möglichst gleich sein, jeder soll ersetzbar sein. Da kommen wir her, aber natürlich hat sich schon allein durch die steigende Einsatzbelastung das militärische Handwerk weiterentwickelt. Inwiefern? Zum Beispiel brauchen wir zunehmend Spezialist:innen. Die Austauschbarkeit ist schon rein fachlich nicht mehr gegeben. Es gibt wichtige Dinge, die Menschen mit diversen Hintergründen – welcher Art diese auch immer sein mögen – mit- und einbringen. Es gibt aber immer wieder Berichte über rechtsextreme Vorfälle in der Bundeswehr. Wie halten Sie die falschen Bewerber:innen fern? Wir haben im Recruiting noch einmal viel investiert und machen immer ein Präsenz-Assessment, das von Testpsycholog:innen begleitet wird, die geschult durch unseren eigenen Nachrichtendienst Zeichen und Begriffe aus der rechten Szene erkennen. Auch während Corona sind wir nicht auf ein vollständiges Online-Assessment umgestiegen, dafür ist die Thematik zu wichtig.
- Nimm 2: Wie Jobsharing funktionieren kann
STRIVE+ | Führen in Teilzeit – wie geht das? Und muss man für Jobsharing zwangsläufig seine Stunden reduzieren? Wir erklären die neuen Arbeitsmodelle. Plus: Vier erfolgreiche Spitzen-Tandems, die es geschafft haben. Nina Straßner glaubt an Jobsharing. Vielleicht auch, weil die studierte Juristin und zweifache Mutter selbst davon profitiert hat: „Mein Vorgänger war auf dem Weg in den Vorruhestand und ich noch nicht im Unternehmen“, sagt die 40-Jährige, die heute als Head of Diversity und People Programs Germany für den Softwarekonzern SAP arbeitet. „Während wir drei Monate auf der gleichen Stelle gearbeitet haben, bin ich wie Sokrates’ Schülerin neben ihm hergelaufen, und ich konnte ihn jede noch so kleine Kleinigkeit fragen“, sagt sie. „Das hat mir geholfen, eine unglaubliche Schnelligkeit und viel Selbstbewusstsein zu entwickeln. Und für die SAP war es ein minimaler Invest.“ Jobsharing, dieser Anglizismus bezeichnet das Teilen eines Jobs; die Arbeit als Duo, bei der klassischerweise eine Vollzeitstelle in zwei Teilzeitstellen aufgeteilt wird. Für dieses Modell gibt es viele Varianten. Nina Straßner hat das sogenannte „Succession Planning“, mitunter auch „Shadowing“ genannt, erlebt. Dabei teilt ein:e Senior seine oder ihre Expertise mit einem oder einer Junior und geht dabei in Altersteilzeit oder bereitet sich auf den Vorruhestand vor. Bekannt ist Jobsharing aber vor allem als Arbeitszeitmodell, das für eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie sorgen kann – und damit besonders für junge Eltern interessant ist. Mitunter ist Jobsharing auch ein explizites Führungsthema: dann nämlich, wenn statt der klassischen Führungskraft eine Doppelspitze den Ton angibt. Welche Arten des Jobsharings gibt es? Job-Pairing: Die Partner:innen stimmen sich untereinander über ihre Aufgaben ab. Sie teilen sich die Verantwortung und treffen gemeinsam die wichtigsten Entscheidungen. TOP-SHARING Eine Führungsposition wird auf zwei Schultern verteilt: Strategische Entscheidungen und Mitarbeiterführung verantworten beide gemeinsam. Peer-Tandems: Zwei Fachkräfte teilen sich eine oftmals komplexe Schlüsselposition oder eine Stelle, in der vielseitige Kompetenzen erforderlich sind. Succession-Tandems: Bei dieser Paarung arbeiten erfahrene Mitarbeiter:innen mit Nachwuchskräften meist zeitlich befristet zusammen. So bleibt die Kompetenz der Seniors dem Unternehmen erhalten und die Juniorkraft profitiert von der Expertise. Crossfunctional- oder Cross-Company-Tandems: Zwei Mitarbeiter:innen aus verschiedenen Bereichen arbeiten auf einer Position, um Know-how zu bündeln. Ziel ist es, Synergien zu nutzen, z.B. zwischen Mutter- und Tochtergesellschaft. Letzteres ist in Deutschland in der Politik längst hoffähig. Bei den Grünen zum Beispiel entschied sich die Partei 2018 für das Duo aus Annalena Baerbock (41) und Robert Habeck (52). Aber auch die SPD und die Linke werden inzwischen von Zweierteams geführt. Und die Wirtschaft zieht nach. Bei der Deutschen Bahn gibt es bereits mehrere mit einem Duo besetzte Top-Positionen, zum Beispiel Janina Schönitz (38) und Miriam Kotte (39), sie sind zusammen Head of Digital Transformation. In den USA machen Reed Hastings (61) und Ted Sarandos (57) vor, dass man sich sogar die höchste Position in einem Unternehmen teilen kann: Die beiden sind Co-CEOs beim Streamingdienst Netflix. Auch Abseits dieser prominenten Positionen entwickelt sich das Jobsharing gerade zum gängigen Arbeitsmodell. Dass das auf den ersten Blick vor allem ein Thema für Mütter ist, verwundert nicht. Schließlich ist für sie die Vereinbarkeit von Beruf und Familie am herausforderndsten. Nach Angaben des Statistischen Bundesamts arbeiteten 2019 rund 73 Prozent der Frauen mit Kindern unter sechs Jahren in Teilzeit. Das bedeutet auch: geringerer Verdienst, weniger Altersvorsorge, geminderte Karrieremöglichkeiten. Der Bedarf nach neuen Konzepten ist hier also besonders groß. Trotzdem widerspricht Nina Straßner von der SAP energisch der Vorstellung, Jobsharing sei allein ein Mütterthema: „Die Nachfrage geht bei uns quer durch alle Geschlechter“, sagt sie, „und die Jobtandems, die wir besetzen, sind zu einem Drittel weiblich, zu einem Drittel gemischt und zu einem Drittel männlich.“ „Beim Jobsharing geht es darum, dass sich der Arbeitsplatz an den Menschen anpasst, – und nicht umgekehrt.“ – Nina Straßner, SAP Auch Nina Gillmann (45), die Gründerin der Karriere-Plattform Twise, die für Arbeitnehmer:innen und Unternehmen Jobtandems mithilfe eines patentierten Algorithmus zusammenstellt, ist sicher, dass das Thema Männer ebenso sehr beschäftigt wie Frauen. „Die Kehrseite der stereotypen Teilzeitfalle der Mütter ist die stereotype Versorgerfalle der Väter“, sagt die studierte Volkswirtin, die zehn Jahre lang für McKinsey gearbeitet hat. „Dabei wollen zunehmend vor allem junge Väter mehr Zeit in die Familienarbeit investieren, trauen sich aber oft nicht, dies gegenüber ihren Arbeitgeber:innen zu artikulieren.“ Als Treiber hinter dem Thema Jobsharing sieht Nina Gillmann – die mit Twise im vergangenen Jahr nicht nur den deutschen Haniel-Konzern, sondern auch mittelständische und DAX-Unternehmen beraten hat – aber auch die Firmen selbst. In Zeiten des Fachkräftemangels ist jede:r Mitarbeiter:in wertvoll. Gillmanns Meinung nach haben die Unternehmen ein starkes Eigeninteresse daran, neue und flexiblere Arbeitszeitmodelle anzubieten: „Sie verlieren sonst das weibliche Personal entlang der Pipeline, sobald die Familiengründung ansteht“, sagt sie, „Jobsharing hilft, die Mitarbeiterinnen an das Unternehmen zu binden, und spart auf lange Sicht immense Kosten ein.“ Damit räumt sie auch mit dem Vorurteil auf, dass doppelt besetzte Stellen teurer sind. Zwar kosten sie nicht hundert Prozent, sondern je nach Aufteilung der Arbeitszeit und Komplexität zwischen 120 und 200 Prozent. Auf lange Sicht rechne sich diese Investition aber, schließlich habe man in einer Doppelspitze auch eine breiter gefächerte Expertise und außerdem die Sicherheit, dass auch im Krankheitsfall oder während eines Urlaubs immer ein Part des Tandems ansprechbar sei. Darüber, das bestätigt auch Nina Straßner von der SAP, spiele man die Mehrkosten umgehend wieder ein. Ganz abgesehen davon, dass in durch Doppelspitzen geführten Teams die Zufriedenheit größer sei als in einfach geführten. Insgesamt steigt das Interesse an und die Nachfrage nach Jobtandems. Nina Gillmann registriert das nicht nur in ihrem Unternehmen Twise, sondern auch bei Firmen wie Daimler und Beiersdorf: „Sie gehen nicht damit hausieren, machen aber nun, nach der erfolgreichen Einführung von Jobsharing, konsequent die nächsten Schritte: Tandems als Alternative zum Vollzeit-Karriere-Modell vom mittleren bis ins Top-Management zu etablieren.“ Bei der SAP wird Jobsharing seit 2017 proaktiv in den Stellenausschreibungen berücksichtigt. Alle Führungspositionen werden als teilzeittaugliche 80-Prozent-Stellen ausgeschrieben. Doch auch das ist nicht fix. Je nach Komplexität der Aufgabe und Vorlieben der Mitarbeiter:innen ist zwischen 60-Prozent- und 100-Prozent-Stellen alles denkbar. Das sei eine Kulturfrage, sagt Straßner. „Es geht darum, flexibel zu sein und Menschen in ihren unterschiedlichsten Lebensphasen mitzunehmen. Darum, dass sich der Arbeitsplatz an den Menschen anpasst, und nicht umgekehrt.“ Dass Jobsharig aber noch lange kein Selbstläufer ist, zeigt eine Umfrage des Wirtschaftsforschungsinstituts Ifo und des Personalvermittlers Randstad unter 630 Personalverantwortlichen: 45 Prozent von ihnen halten nichts von einer Führungskraft in Teilzeit. Kulturwandel gelingt eben nicht über Nacht. Außerdem ist er branchenabhängig. Nicola Sievers (59) ist Gründungsgesellschafterin der auf Financial Services spezialisierten Management- und Personalberatung Inner Circle Consultants – sowie Partnerin von Twise. Sie sagt: „Wir sind sehr stark auf Private Equity und Finance fokussiert, und in dem Bereich sind Jobtandems zum Beispiel noch kaum etabliert.“ Diese Agenturen vermitteln Job-Tandems: Tandemploy: Jana Tepe und Anna Kaiser gründeten ihr Startup 2013 und gelten als Pionierinnen der New-Work-Bewegung. Mithilfe einer eigenen Software stellen sie Tandems zusammen und identifizieren fürs Jobsharing geeignete Positionen innerhalb von Organisationen. Twise: Dr. Nina Gillmann will mit ihrem Startup Twise bis 2030 Gender Balance bis ins TopManagement durchsetzen. Dabei setzt sie vor allen Dingen auf Jobsharing als alternatives Karrieremodell – und auf einen patentierten MatchingAlgorithmus, um passende Tandems zu identifizieren. The Jobsharing Hub: Svenja Christen und Yannic Franken sind Partner:innen, Eltern und Geschäftsführer von The Jobsharing Hub. Sie wissen: Gutes Jobsharing braucht den passenden Rahmen. Über ihre Beratungs-Plattform geben sie Tipps und vernetzen Tandempartner:innen. Auch das Verlagsweisen ist für traditionelle Jobstrukturen bekannt. Ein Beispiel bei Burda zeigt aber, dass Veränderung möglich ist. Die Chefredakteurinnen Mateja Mögel (43) und Anke Helle (40) ebneten sich den Weg an die Doppelspitze der Frauenzeitschrift „Freundin“ 2019 einfach selbst. Durch Überzeugungsarbeit. Als der Verlag eine Nachfolge für den scheidenden Chefredakteur suchte und die beiden zunächst einzeln ansprach, war ihnen klar: Wir wollen das machen – aber nur gemeinsam. „Wir wussten: Für die Chefredaktion eines Magazins, das alle 14 Tage erscheint, braucht man weit mehr als eine 40-Stunden-Woche. Wir wollten beide aber auch noch Zeit für unsere Familien haben“, sagt Mateja Mögel. Von Anfang an war das mehr als ein loser Vorschlag, sondern: Bedingung für eine Zusage. Der Verlag ging mit. Mögel und Helle sind mehrfache Mütter und möchten in ihrer Redaktion vorleben, wie Vereinbarkeit klappt. Wichtig ist Flexibilität, es gibt bei der „Freundin“ inzwischen Gleitzeit und natürlich Homeoffice. Das gilt für Mitarbeiter:innen – und die Chef:innen. Die eine ist morgens zeitig in der Redaktion, weil die Kinder sowieso früh in die Schule müssen. Die andere sitzt dafür öfter abends am Rechner. Wenn eine Urlaub mit der Familie macht, ist die andere für die Redaktion da. Genau diese Flexibilität ist es, die beiden ermöglicht, Vollzeit zu arbeiten. Denn das ist Mögel und Helle besonders wichtig: Jobsharing, das steht nicht automatisch für Teilzeit. In die Falle, dass man 40 Stunden und mehr arbeitet, aber nur für 30 bezahlt wird, tappt man allzu leicht, das wollen sie weder für sich noch für ihre Mitarbeiter:innen. Der Signalwirkung, die die Chefredakteurinnen im Verlag und in ihrer Branche haben, sind sie sich bewusst. Deshalb nennen sie das, was sie machen, auch nicht Jobsharing. Sondern Führungstandem oder Doppelspitze. Und sie kennen das Rezept dafür, wie ein solches Tandem gelingt: Ihre Kompetenzen ergänzen sich komplementär. Sie wissen und schätzen, was die andere kann, auch in dem Bewusstsein, dass sie in manchem sogar besser ist. Was es zwischenmenschlich braucht: absolute Gleichheit, Transparenz und Respekt. Mögel und Helle wissen zum Beispiel, und das ist mutig und besonders, was im Vertrag der jeweils anderen steht, ihre Gehälter haben sie gemeinsam verhandelt. So vermeiden sie, dass sich irgendwann dann doch einschleicht, dass es eine Nummer eins und eine Nummer zwei gibt. Das ist strategisch klug, denn genau hier sieht Nicola Sievers von Inner Circle Consultants auch die Achillesferse eines Tandems: „Was passiert, wenn eine:r kontinuierlich besser performt als der oder die andere? Stehen dann die beiden in Konkurrenz und am Ende wird nur eine:r befördert?“ Mateja Mögel und Anke Helle treibt dieser Gedanke nicht um, sie vertrauen einander – und sie haben Vertrauen in das Team, das sie bilden. Als Doppelspitze bieten sie schlicht mehr, als eine Einzelperson jemals leisten könnte.
- Führungsverantwortung: Diese drei Fehler sollte man vermeiden
Kolumne First-Time Leader | Wer das erste Mal eine Führungsrolle innehat, macht zwangsläufig Fehler. Aber es gibt Dinge, die man unbedingt vermeiden sollte. First-Time Leader Coach Katrin Grunwald teilt in ihrer 12. und letzten Kolumne noch einmal ihre Do’s und Don’ts für die ersten Monate als First-Time Leader. Das sollten Sie tun: 1. Selbstreflektion Auch diese Kolumne startet wieder mit dem eigenen Reflektieren vor dem Start: Welche Art von Führungskraft möchte ich sein? Von welchen bisherigen Führungs-Vorbildern in meiner Vergangenheit kann ich einzelne Verhaltensweisen abschauen beziehungsweise welches Verhalten fand ich schrecklich, dass ich so definitiv nicht mit meinem Team zusammenarbeiten möchte? Welche Werte sind mir wichtig in der Zusammenarbeit mit meinem Team und durch welche Taten kann mein Team sehen, dass ich diese Werte auch wirklich lebe? Die Antworten auf diese Fragen geben Ihnen ein besseres Selbstbild von sich als zukünftiger Führungskraft. Elemente dieser Reflektion können Sie auch gut bei Ihrer Vorstellung mit dem Team teilen! 2. Planung für den ersten Monat Planen Sie im ersten Monat folgende Termine ein, um Ihr Team kennenzulernen: Ihre Vorstellung am ersten Tag, Kennenlerngespräche mit Ihren Teammitgliedern und Gespräche mit Ihrer Führungskraft sowie Kollegen. Dass Sie sich explizit Zeit nehmen für jede:n Einzelne:n wird sicher gut ankommen und ist eine wichtige Grundlage für Vertrauen und eine langfristig gute Zusammenarbeit. Weitere Tipps für die Vorbereitung und Durchführung der Gespräche gibt es in dieser Kolumne . Jetzt geht es darum, Ihre Vision der zukünftigen Teamerfolge mit dem Team zu teilen und zu diskutieren. 3. Zuhören, Verstehen, Handeln Im ersten Monat geht es darum, den Teammitgliedern zuzuhören und sie kennenzulernen. Auch Fragen wie „Welche Veränderungen würden Sie sich in der Zusammenarbeit im Team wünschen und was sollte auf alle Fälle so bleiben, wie es ist?“ sind eine Möglichkeit für Sie, mehr Infos über das Team zu bekommen. Im zweiten Monat geht es darum, Zusammenhänge besser zu verstehen: wie kommt es, dass bestimmte Prozesse und Arbeitsweisen so aufgebaut sind, wie sie sind? Vielleicht haben Sie schon im Kopf, das ein oder andere zu ändern im Team. Hier ist es jedoch sinnvoll, erstmal noch die Hintergründe besser zu verstehen. Auch als eine Art der Wertschätzung für das bisher Geleistete im Team ist es wichtig, nicht sofort von einem Tag auf den anderen alles zu ändern, ohne zu verstehen, was dahintersteckt. Das Motto des dritten Monats ist dann „Handeln“. Inzwischen haben Sie sicher einen guten Einblick in die Zusammenarbeit im Team und auch die Performance der einzelnen Teammitglieder bekommen. Jetzt geht es darum, Ihre Vision der zukünftigen Teamerfolge mit dem Team zu teilen und zu diskutieren, um alle an Bord zu bekommen und gemeinsam Änderungen am Status quo anzugehen. Das sollten Sie lassen: 1. Fokus nur auf den Inhalt Wahrscheinlich nehmen inhaltliche Themen schnell nach Ihrem Antritt Fahrt auf. Hier ist es wichtig, nicht zu denken „Das ist inhaltlich so wichtig, mich hier einzuarbeiten. Das Team lerne ich einfach später kennen“. Das zeitliche Investment, gleich zu Beginn ein gutes zwischenmenschliches Verhältnis zum Team aufzubauen, wird sich später sicher auszahlen! 2. Angst zu haben, zu viel zu kommunizieren Selten ist der Satz zu hören: „Ich wünsche, mein:e neue:r Chef:in kommuniziert weniger“. Sie können davon ausgehen, dass Ihre Teammitglieder Sie kennenlernen möchten und mehr darüber erfahren möchten, was Ihnen wichtig ist, Ihre Meinung etc. Daher vor allem am Anfang keine Scheu vor mehr Kommunikation und Austausch, als Sie vielleicht sonst haben würden! Nachfragen und offen darüber sprechen, welche Art der Unterstützung Ihre Teammitglieder sich von Ihnen wünschen! 3. Davon ausgehen, dass alle sind wie man selbst Von sich automatisch auf Andere zu schließen ist keine gute Idee. Zum Beispiel beim Thema Motivation: Vielleicht sind Sie selbst motiviert von Führungskräften, die Ihnen viel Freiraum gegeben haben und wollen dies dann auch ihrem Team ermöglichen. Allerdings kann es sein, dass das nach hinten losgeht, zum Beispiel wenn es Leute in ihrem Team gibt, die noch nicht so viel Erfahrung bei einer Aufgabe haben und eher davon motiviert sind, sich regelmäßig mit Ihnen auszutauschen und auch klare Inputs von Ihnen zu bekommen. Hier gilt es nachzufragen und offen darüber zu sprechen, welche Art der Unterstützung Ihre Teammitglieder sich von Ihnen wünschen! Ich hoffe, dass diese sechs Tipps das Bild nochmals rund gemacht haben, wieviel man als First-Time Leader eigentlich in der Hand hat für einen erfolgreichen Start in die erste Führungsrolle. Mit einem Mix aus Reflektieren, Planen und Dinge ausprobieren fahren Sie sicher gut und ich wünsche Ihnen viel Erfolg und Freude dabei! Über die Autorin: Katrin Grunwald ist Teamentwicklerin und Coach für First-Time Leader. Als Gründerin der Beratung „ The Globe Team “ in München begleitet sie angehende Führungskräfte bei einem erfolgreichen Start in die erste Führungsrolle und Teams weltweit dabei, besser zusammenzuarbeiten. Sie teilt in ihrer Kolumne konkrete Tipps und Tricks aus ihrer Erfahung in europäischen Konzernen, Start-Ups, Regierungsorganisationen und NGOs. Für alle, die auf dem Sprung in die erste Führungsrolle und darüber hinaus sind.
- 5 Regeln, mit denen die Startup-Finanzierung klappt
Kolumne | Sabine Engel hat bereits drei Unternehmen aufgebaut. Daher weiß sie: Gründen ist nie leicht. Und eine der größten Hürden ist es, die Finanzierung auf die Beine zu stellen. Im zweiten Teil ihrer Gründer:innen-Serie erklärt sie, wie das klappt. Die gute Nachricht: Bei der Finanzierung von Startups kann alles und nichts richtig sein. Unzählige Berichterstattungen, Beiträge, Ratgeber, Podcasts und Bücher zum Thema beweisen das. Und noch eine gute Nachricht: Sie werden viel lernen und vielleicht den ein oder anderen Fehler machen. Jede:r Gründer:in darf ihren eigenen Weg finden. Hinterher sind wir dann noch schlauer. Und ich finde, das ist das Wunderbare am Unternehmer:innentum selbst: Steile Lernkurven, die ich woanders nicht erlebt hätte. Ich zeige Ihnen meinen Weg und die fünf Learnings, die ich daraus gezogen habe. Bootstrapping. Business Angels. Family, Fools & Friends. Oder doch die Bank? Lieber Venture Capital? Das klingt schick und wichtig. Die Gründer:innen-Presse ist voll von Geschichten, welches Startup wie viel Kapital von wem eingesammelt hat, welches Pitch Deck wo zum Erfolg geführt hat und mit welchen Kniffen ich Investor:innen am besten um den Finger wickle. Nein, ich kann diese Stories nicht mehr hören, sehen, lesen. Denn sie verzerren die Realität. Ich möchte nicht glauben, dass viele Gründer:innen den Sinn ihres Daseins darin sehen, Geld einzusammeln. Traurig macht mich vor allem die Wirkung, die durch diese finanzierungslastigen Berichterstattungen und Gründer-Shows in der Öffentlichkeit entsteht: Zuerst die Kohle, dann kümmern wir uns ums Produkt. Ich habe es anders gemacht: 1. Zuerst Proof of Concept (PoC), dann Kapitalerhöhung. Ein gutes Startkapital ist das GmbH-Stammkapital, 25.000 Euro. Anteilig zahlt jede Gründer:in ihren Teil ein. Bei meiner ersten Gründung von Miomente war ich 24 und kratzte mein Erspartes aus verschiedenen Schülerjobs und Halbwaisenrente zusammen. Das eigene Geld sensibilisierte mich sehr zur Sparsamkeit. Für die extrem schmale Kasse baute ich einen funktionierenden Online-Marktplatz auf. Statt vor Investoren zu pitchen, konzentrierte ich mich voll und ganz darauf, ein tolles Produkt zu bauen, arbeitete wie wild und die ersten zwei Jahre ohne Gehalt. Mein Lohn: Umsatz. Die Kunden kauften, empfahlen weiter und kauften wieder. Mit meinem jüngsten Startup Frida & Fritz machte ich es wieder so. Genau so. Denn aus zwei Gründen glaube ich fest an die Kraft des Proof of Concepts: Erstens bleibe ich als Gründerin fokussiert darauf, das Produkt richtig gut zu machen. Zweitens habe ich nach dem Liefern des PoC ein viel besseres Standing; größere Verhandlungsmacht und höhere Unternehmensbewertung. 2. Nur Bares ist Wahres I – Finger weg von Sachkapital Einer meiner größten Fehler bei Miomente war es, als ersten Investor eine Agentur an Bord zu nehmen, die neben etwas Geld auch Sachleistungen, operatives Onlinemarketing, einbrachte. Das brachte mich in eine massive Abhängigkeit von dieser Agentur. Geld allein gibt mir mehr Freiheit, Leistungen extern einkaufen zu können. Als es in der Agentur nicht mehr lief, wurde diese Abhängigkeit stark ausgenutzt und als Druckmittel gegen mich verwendet. Miomente stand damals kurz vor dem Abgrund. Die Erfahrung, plötzlich in irrationale Machtspiele eingebunden worden zu sein, hat mich zwei Dinge gelehrt: Bei einer Finanzierung ist nur Bares Wahres. Und sollte ich nur den Anflug von Flauheit in der Magengrube verspüren, dass Investor:innen womöglich andere Werte haben als ich selbst: Don´t do it. Absolutely not. 3. Nur Bares ist Wahres II – Die Sache mit dem Netzwerk Investor:innen sind stolz auf ihr – zweifelsohne – großes Netzwerk. Oft bringen sie das als wertvolles Add-on in ihrer Kommunikation ein. Das Netzwerk darf jedoch kein Grund sein, sich aufeinander einzulassen. Ich mache die besten Erfahrungen damit, mein eigenes Netzwerk aufzubauen. Ich verlasse mich nicht darauf, dass Investor:innen mich permanent im Kopf haben und somit automatisch daran denken, dass dieser oder jener Kontakt hilfreich für mich sein könnte. Warum nicht? Die meisten Investor:innen haben sehr viele verschiedene Portfoliounternehmen mit tagtäglich Tausenden verschiedenen Herausforderungen im Kopf. Da denke ich lieber für mich selbst und spreche ihn/ sie bei Bedarf an. Ein fremdes Netzwerk hat für mich keinen Einfluss auf die Bewertung, sondern ist ein nice-to-have. 4. Wie lange es dauert Sie sind an dem Punkt, dass Ihr Produkt funktioniert? Sie sehen klar die Schritte, die jetzt getan werden müssen, um es vom Startup zum Scaleup zu schaffen? Sie kennen ihr Wunschszenario, welcher Investment-Typus in welcher Form wie viel Geld investieren muss? Sehr gut. Denn damit haben Sie die drei allerbesten Voraussetzungen für einen überzeugenden Pitch: Eine solide Geschäftsbasis. Eine kluge, starke Story. Eine dicke Portion Selbstsicherheit, dass Ihr Plan funktioniert. In der Finanzierung von Startups ist alles und nichts richtig. Finden Sie Ihren eigenen Weg. Lieben Sie den Prozess und die Lernkurve. Hinterher sind Sie immer schlauer. Wenn ab jetzt alles richtig gut läuft, dauert es im Durchschnitt sechs Monate, bis das Geld auf dem Konto ist. Was, so lange? Genau, ich denke auch jedes Mal, der Plan ist so klar, die Chancen so eindeutig, das geht doch jetzt ratzfatz. Leider Pustekuchen, Verhandlungen, Urlaub, Krankheit, Due Diligence, wechselndes Management. Es dauert, glauben Sie mir. 5. Drum prüfe, wer sich ewig bindet. „(...) Der Wahn ist kurz, die Reue lang.” Friedrich Schiller hat Recht. Ich habe die Erfahrung gemacht und durfte lernen, wie langwierig, wie schwierig und am Ende des Tages wie teuer es ist, einen Gesellschafter wieder loszuwerden. Zweimal. Mein oberstes Kriterium, eine Gesellschafterbeziehung einzugehen, ist für mich seitdem eine Wertekonformität. Meine persönlichen Werte sind Freiheit, Mut, Kreativität und Leidenschaft. Wenn in der sich anbahnenden Geschäftsbeziehung damit eine Konformität, also eine Übereinstimmung, nicht notwendigerweise eine Gleichheit besteht, dann ist für mich der Zeitpunkt, mich ins Abenteuer zu stürzen. In der Finanzierung von Startups ist alles und nichts richtig. Finden Sie ihren eigenen Weg. Lieben Sie den Prozess und die Lernkurve. Hinterher sind Sie immer schlauer. Über die Autorin Sabine Engel hat bisher drei Unternehmen gegründet: Miomente, ein Portal, das kulinarische Erlebnisse für Genießer:innen vermarktet, Frida & Fritz, eine D2C-Rösterei für entkoffeinierten Kaffee und ihre Digitalberatung SAE Ventures. Auf STRIVE-Online berichtet sie über ihren eigenen Weg zur Gründerin.