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  • Was Startup Gründer:innen beim Exit verdienen

    STRIVE+ Emma Tracey gründete 2015 zusammen mit ihrem Co-Founder Kaya Taner „Honeypot“, heute Europas größte Tech-fokussierte Jobplattform für Webentwickler:innen. 2019 kaufte Xing, heute die New Work SE, das Startup für 22 Mio. Euro. Bei erfolgreichem Earnout wäre die Summe auf 57 Mio. Euro gestiegen – die größte Übernahme in der Geschichte des Business-Netzwerks. Ende 2020 hat Emma Honeypot verlassen. Sie ist wieder auf der Suche nach einer neuen Gründungsidee. Emma, hattet ihr bereits einen Exit im Sinn, als Dein Co-Founder und Du Honeypot gegründet habt? Nein, überhaupt nicht. Wir haben nie wirklich über einen Exit nachgedacht, sondern wollten einfach die Jobplattform Nummer eins für Webentwickler werden. Finanziell getrieben war ich nicht. Ich habe die ersten zwei Jahre bei Honeypot nur etwa 1.200 Euro netto verdient. Wie viele Investoren hattet ihr an Bord? Ein Jahr vor dem Verkauf führte Felix Plog, der uns als Berater und Investor prägte, eine für uns sehr wichtige Angel Investment Runde an. Davor hatten wir immer nur minimale Investments. Wir haben vom ersten Tag an Umsatz gemacht, daher konnten wir die ersten drei Jahre praktisch selbst finanzieren. Wir mussten gar nicht so schnell über Investments nachdenken, wofür wir sehr dankbar waren. Auch beim Verkauf hatten wir nur etwa 1.3 Mio. Euro Funding insgesamt. Wir haben immer von unseren Umsätzen gelebt und waren sehr schlank organisiert. Wie waren die Unternehmensanteile zwischen Dir und Deinem Co-Gründer Kaya Taner verteilt? Da Kaya selbst Geld investiert hatte, gehörte ihm auch mehr vom Unternehmen. Ich startete mit einem kleineren Unternehmensanteil, der nach etwa zwei Jahren gestiegen ist. Zum Zeitpunkt des Verkaufs besaß ich 15 %. Insgesamt besaßen Kaya, ich und das Team beim Verkauf die Mehrheit am Unternehmen. Wann genau habt ihr entschieden, zu verkaufen? Es gibt da diesen einen Moment, an den ich mich noch sehr gut erinnere. Das war am Tag vor unserer Weihnachtsfeier in Prag 2018. Kaya war derjenige, der bei den Verhandlungen mit Xing im Lead war – und dabei einen hervorragenden Job gemacht hat. Für mich war das viel zu emotional. Ich konnte die Gespräche über die monetäre Bewertung von etwas, was ich so sehr liebe und mir so wichtig ist, wie Honeypot, nicht gut ertragen. Für mich war es schwierig, zu hören, wie klinisch über die Firma in den Verhandlungen gesprochen wurde. Kaya und ich hatten ein Telefonat mit Xing, in dem es um den endgültigen Kaufpreis ging. Das Telefonat endete damit, dass Kaya eine Summe nannte. Er sah mich dabei an und ich signalisierte ihm mein Okay. Danach gingen wir zur Weihnachtsfeier, hatten einen wahnsinnig guten Abend und viel Spaß mit dem gesamten Team. Xing hat uns dann zügig ein Entgegenkommen für den von uns geforderten Preis signalisiert. Da wussten wir, wir hatten alles richtig gemacht und erst da realisierten wir es wirklich: wir würden verkaufen. Es waren noch andere Investoren im Rennen. Warum habt ihr Euch für Xing entschieden? Der Grund, der uns Xing auswählen ließ, war deren Ehrlichkeit. Sie wollten wirklich mit uns arbeiten und sagten das auch ganz deutlich. Xing glaubte an unsere Vision und an die Brand, die wir gebaut hatten. Das hat uns überzeugt. Wir wollten nicht verkaufen, um uns aus dem Geschäft zurückzuziehen, sondern die Zukunft der Company weiterhin gestalten. Der Vice President of Corprorate Development von Xing, der den ganzen Verkaufsprozess geführt hat, ist einer der ehrlichsten und aufrichtigsten Menschen, die man sich vorstellen kann. Er hat frühzeitig signalisiert, dass Xing ernsthaftes Interesse an Honeypot hat. Auch für mich und Kaya war es das Schlauste, mit offenen Karten zu spielen. Weil es dazu geführt hat, dass gegenseitiges Vertrauen entstanden ist. Gab es irgendeinen Moment, in dem Du Dich als Frau in diesem Prozess nicht ernst genommen gefühlt hast? Bei Xing nicht. Aber definitiv habe ich vorher solche Erfahrung gemacht. Das schlimmste Erlebnis hatte ich tatsächlich mit einer weiblichen Investorin. Sie rief Kaya damals an, nachdem wir sie zusammen getroffen hatten. Sie sagte: „Ich denke, ich mag die Company. Aber wofür brauchen wir Emma?“ Das hat mich definitiv in meinem Selbstwertgefühl getroffen. Und natürlich bekam ich auch Fragen wie: „Mit wem soll ich über Tech und Product reden?“, obwohl ich mich zehn Minuten vorher mit den Worten vorgestellt hatte, dass ich die Verantwortliche für diese Bereiche bin. Hast Du einen Rat für Frauen, denen so etwas passiert? Es geht doch darum, wie die Männer sich verhalten. Ich meine, könntest Du Dir vorstellen, dass eine Frau mit einem Mann so etwas machen würde? Einen männlichen Senior Partner beispielsweise zu ignorieren, indem Du eine Frage, die eigentlich an ihn gerichtet sein müsste, einer Frau stellst? Ich denke, die Verantwortung, dies zu ändern, liegt bei den Männern. Nicht bei den Frauen. Im Startup-Bereich wird mit Earnouts gearbeitet, also mit Teilen der Verkaufssummen, die an bestimmte Bedingungen geknüpft und später gezahlt werden. "Ich möchte immer arbeiten. Ich liebe es. Ich werde wahrscheinlich nie damit aufhören." - Emma Tracey Wie sah Eure Earnout-Struktur aus? Die zweite Tranche des Earnouts, von bis zu 35 Mio. Euro, basierte auf Zielen, die in den drei Jahren nach Verkauf hätten erreicht werden müssen. Aufgrund der Auswirkungen der Pandemie ist es allerdings sehr unwahrscheinlich, dass die Voraussetzungen für diesen Earnout noch erreicht werden. Der Weggang von mir und Kaya erfolgte daher in enger Abstimmung mit dem Unternehmen – wir haben den Übergang über ein Jahr lang mit Xings Hilfe geplant. Wie erging es Dir in der Phase nach dem Verkauf, als Du von der Gründerin zur Managerin werden musstest? Als Kaya die Firma im April 2020 verließ, wurde ich Interim-CEO. Genau zu diesem Zeitpunkt brach die Pandemie aus. Ich musste auf einmal nicht nur in meine neue Rolle hineinwachsen und damit umgehen, dass mein Co-Founder nicht mehr da ist, sondern darüber hinaus auch damit zurechtkommen, dass unsere Umsätze dramatisch zurückgingen. Ich musste Leute entlassen, die ganze Firma auf Homeoffice umstellen und einen neuen CEO für die Zeit nach mir einarbeiten. Diese Zeit war mit Sicherheit die herausforderndste in meinem ganzen Leben. Gab es Momente, in denen Du darüber nachgedacht hast aufgrund der Pandemie länger zu bleiben? Wenn wir es nicht geschafft hätten, genau das Team zu finden, das die Firma braucht, dann wäre ich so lange geblieben, bis wir es gefunden hätten. Die jetzige Entwicklung zeigt mir aber, dass wir genau die richtigen Entscheidungen getroffen haben. Es gehört zu einer guten Führung dazu, zu wissen, wann man gehen sollte – und dieser Zeitpunkt war gekommen. Inwiefern bist Du in dieser Zeit gewachsen? Ich habe gelernt, ein CEO zu sein und ein Unternehmen auch remote zu managen. Mir ist klarer geworden, was für mich persönlich eigentlich wichtig ist. Ich bin weniger Managerin als viel mehr Gründerin. Strukturen versuche ich eher zu umgehen. Über diese ganze Thematik der „Gründer Transition“ wird ohnehin viel zu wenig gesprochen. Das ist kurzsichtig. Uns wird immer gesagt, dass wir unsere Stärken und Schwächen kennen sollten. Und ich sehe nicht, warum das nicht auch im Falle von Leadership zutreffen sollte. Es ist Fakt, dass viele Gründer gut darin sind, etwas Großartiges aus dem Nichts entstehen zu lassen, Dinge anzuschieben, neue Ideen voranzutreiben. Aber oft sind sie nicht wirklich gut in den Bereichen Strategie, Planung und Management. Das trifft auch auf mich zu. Dein Nachfolger, Philipp Goos, verdient bei Honeypot mehr als Du. Warum? Ja, und ich denke, das ist fair. Ein großer Teil unserer Bezahlung als Gründer ist in dem Verkaufspreis enthalten. Wahrscheinlich müsste ich für den Rest meines Lebens nicht mehr arbeiten, wenn ich es nicht wollte. Als Gründer gehst Du alle Risiken ein und bekommst die Entlohnung, wenn Du verkaufst. Wie fühlt es sich an, nicht mehr arbeiten zu müssen? Ich weiß, was ich für ein immenses Glück habe und fühle mich enorm privilegiert. Es ist toll, meinem Bruder beispielsweise bei seinen Studiengebühren helfen zu können. Für mich ändert sich ansonsten aber nicht viel. Ich möchte immer arbeiten. Ich liebe es. Ich werde wahrscheinlich nie damit aufhören. Heiko Hubertz ist kein Mann, der lange um den heißen Brei herumredet. Er spricht schnell, pointiert. Sein erster Satz in diesem Interview: „Für zehn, zwanzig Prozent Verkaufserlös hätte ich anfangs nicht gegründet.“ Er lacht, während er das sagt, meint es dennoch ernst. Sein erstes Unternehmen AASP, mit dem er telefonische Bezahlsysteme entwickelte, verkauft e der damals 25-Jährige bereits 2002. Der richtig große Wurf gelang ihm allerdings erst danach mit seiner zweiten Gründung: Bigpoint. Die Firma entwickelt browserbasierte Online-Spiele. US-Investor:innen kauft en 2011 die Mehrheit an dem Unternehmen für 239 Millionen Euro, das zu diesem Zeitpunkt mit 600 Millionen Dollar bewertet war. Ein immenser Erfolg für den Unternehmer. Wenig später geriet Bigpoint allerdings in Schieflage. Das Unternehmen schafft e den Sprung auf mobile Geräte nicht. Rund 30 % soll Hubertz noch gehalten haben, als Bigpoint 2016 zu einem „Schleuderpreis“, wie es damals hieß, von 80 Millionen Euro von einer chinesischen Firma übernommen wurde. Trotz „Schleuderpreis“ sollte noch ein hübsches Sümmchen übriggeblieben sein für den Wahl-Hamburger. "Für zehn, zwanzig Prozent Verkaufserlös hätte ich anfangs nicht gegründet." - Heiko Hubertz Der Dithmarscher hat nie einen Hehl daraus gemacht, dass er seine Unternehmen vor allem des Geldes wegen gegründet hat. Eine übergeordnete Vision, gar eine Mission oder ein „Purpose“, wie das mittlerweile sinnentleerte, weil inflationär gebrauchte Wort für Zweck oder Bedeutung lautet, hatte er nicht. „Ich finde es völlig in Ordnung, wenn jemand eine Vision hat und sagt: Ich möchte dieses oder jenes Grundproblem lösen, ohne das Finanzielle im Vordergrund zu haben. Ich finde es aber genauso in Ordnung, wenn Leute gründen, um richtig Geld zu verdienen. Das Problem ist, wenn es Gründer:innen dabei völlig egal ist, welches Produkt sie machen und sie kein Herzblut in dieses Produkt stecken, dann ist es totaler Unsinn und dann scheitern die Leute. Aber die Motivation, Geld zu verdienen, finde ich nicht verkehrt.“ Verena Hubertz, die mit dem Games-Unternehmer nicht verwandt ist, sieht das anders: „Ich glaube, wenn man mit dem Gedanken gründet, als Millionär aus der Firma rausgehen zu wollen, dann muss man schon extra leidensfähig sein“, sagt die Gründerin der Rezepte-Plattform Kitchen Stories. Verena Hubertz hat ihr Unternehmen 2013 zusammen mit ihrer Co-Founderin Mengting Gao gegründet. Bereits 2015 hatten die Gründerinnen 51 % ihres Unternehmens an Investor:innen abgegeben. Weitere zwei Jahre später kauft e die Bosch-Tochter BSH die anderen Investor:innen heraus und investierte kurze Zeit später erneut. Heute hält der Haushaltsgerätehersteller 70 % an Kitchen Stories, die Gründerinnen verfügen über die restlichen Anteile, verrät Hubertz. Die Bewertung des Unternehmens soll beim Verkauf 2017 bei 20 bis 25 Millionen Euro gelegen haben. Hubertz lässt diese Zahlen unbestätigt. Auch die Verkaufssumme ist unbekannt. Ohnehin seien diese keine verlässlichen Indikatoren dafür, was letztlich für die Gründerinnen nach Abzug aller Verteilungslogiken und Kosten übrigbleibe, sagt Verena Hubertz. Das stimmt. Gründer:innen profitieren in der Regel als Letzte von dem Verkauf des Unternehmens, das es ohne sie gar nicht gegeben hätte. Liquidationspräferenzen, Berater- und Notarkosten und Garantien, die es zu halten gilt, verringern den Betrag, den Gründer:innen vom Tisch nehmen. Zum Zeitpunkt des Verkaufs halten viele Unternehmer:innen häufig also nur noch verhältnismäßig wenig Anteile an der Firma. Für den Gaming-Unternehmer Heiko Hubertz trifft dies allerdings nicht zu. Er finanzierte Bigpoint die ersten zwei Jahre nach eigenen Aussagen vollständig selbst. Um das volle Wachstumspotenzial des Unternehmens ausschöpfen zu können, brauchte er danach allerdings doch Kapital. „Ich wollte mehr Geschwindigkeit aufnehmen. Das konnte ich aber aus dem Cashflow allein nicht finanzieren. So war ich gezwungen, Investoren ins Unternehmen zu holen.“ Bei Whow Games, seiner dritten und aktuellen Gründung, habe er nur einmal zum Start eine Million Euro eingesammelt – danach nie wieder. Dabei sei es ihm vorrangig um das Netzwerk der Investor:innen gegangen. Die anderen Investitionen kamen in Form von Darlehen, die Heiko Hubertz selbst ausgegeben hatte, um Verwässerungen der Gesellschafteranteile zu vermeiden. Heiko Hubertz ist Sologründer aus Überzeugung. „Ich glaube, das ist einer meiner Erfolgsgaranten. Ich möchte allein Entscheidungen treffen. Ich würde das gar nicht ertragen, wenn jemand ständig meine Entscheidungen diskutieren wollen würde.“ Wie sollten Gründer:innen seiner Meinung nach grundsätzlich an Fundraisings herangehen? Das Wichtigste sei, zu wissen, wann man welche Summe braucht, sagt Heiko Hubertz. „Häufig laufen die Leute erst los, wenn schon kein Geld mehr da ist. Das ist dann zu spät. Wenn ich mit dem Rücken an der Wand stehe, ist das Verhandeln schwierig. Also: Rechtzeitig den Prozess starten, aus einer Position der Stärke heraus.“ Zudem rät der Unternehmer, antizyklisch Geld zu sammeln. „Wenn jemand da ist, der Dir einen guten und fairen Deal anbietet, dann nimm das Geld an, auch wenn Du es in dem Moment vielleicht gar nicht brauchst. Denn vielleicht wird der Zeitpunkt kommen, an dem Du es brauchst und es dann aber nicht mehr bekommen kannst, weil zum Beispiel so etwas wie Corona passiert und sich alle Investor:innen erst einmal zurückziehen.“ Gute Investor:innen erkenne man an drei Kriterien, erklärt Hubertz weiter. Das Wichtigste für ihn sei das Netzwerk und die Reputation. „Das fängt schon bei den Business Angels an, denn die machen ja später die Intros zu den VCs.“ Die Höhe des Investments dürfe zweitens immer nur ein kleiner Teil des Vermögens der Investor:innen sein. „Es bringt nichts, wenn die permanent nervös sind, weil ihr ganzes Kapital in der Firma steckt. Du willst keine Investor:innen, die dich ständig nerven und so vom Business abhalten.“ Drittens müssen die Investor:innen ein tiefes Verständnis vom Geschäft mitbringen. "Wenn man mit dem Gedanken gründet, als Millionär:in aus der Firma rausgehen zu wollen, muss man schon extra leidenfähig sein." - Verena Hubertz Von der Idee einer Rezepte-Plattform, die das Kochen durch Videos anleitet, wollten Investor:innen zunächst nichts wissen. Verena Hubertz und ihre Co-Founderin finanzierten daraufhin die Gründung mit eigenen Mitteln und denen von „Friends, Family and Fools“, wie es die Unternehmerin ausdrückt. Erst, als Apple auf Kitchen Stories aufmerksam wurde und die App in mehr als 100 Ländern auf Platz 1 der Kategorie „Essen und Trinken“ wählte, zogen die Investor:innen nach. Wurden sie weniger ernst genommen, weil sie ein weibliches Gründer-Team waren? Verena Hubertz zieht die Augenbrauen hoch: „Am Anfang wurden wir selbstverständlich nicht ernst genommen. Wir sind da als First Time Founder mit 25 Jahren aufgeschlagen, ohne jegliche Erfahrung. Ich meine, ich selbst hätte auch nicht investiert.“ Am Geschlecht lag es also nicht. „Es geht auch um Momentum und richtiges Timing. Es gibt viele erfolgreiche Gründer:innen, die waren zehnmal tot und dann kam in der letzten Minute der große ‚Bang!‘. Unternehmertum ist eine konstante Achterbahnfahrt. Ein erstes ‚Nein‘ sollte man nicht für ein finales ‚Nein‘ halten. Vielleicht passt es in dem Moment nicht, aber möglicherweise passt es später.“ Sie ist pragmatisch. Wenn irgendwer sie aufgrund mangelnder Erfahrung nicht ernst nimmt, dann sorgt sie eben dafür, dass sie Erfahrung sammelt. „Was ein Investor sehen will, ist ein Case oder ein Team, das ihn vom Hocker haut. Und ein Team ohne Track Record ist eben schwierig.“ Fabian Heilemann hat genau das: Einen langen Track Record als Gründer und mittlerweile auch als Investor. Heute ist er Partner bei Earlybird, einem FrühphasenInvestor. Als Gründer hat er hat lange Zeit im Doppelpack mit seinem Bruder Ferry zusammengearbeitet. Zusammen haben sie 2009 DailyDeal gegründet, eine Gutschein-Plattform nach dem Vorbild US-amerikanischer Unternehmen wie Groupon. Google kaufte das Unternehmen 2011 für 114 Mio. US-Dollar. Die Brüder hielten damals noch rund 20 % an ihrem Unternehmen, verrät uns Fabian Heilemann. Zwei Jahre später kauften sie ihre Firma zurück. Ein Vorgang, der in der damals noch jungen Start-up-Szene für Aufsehen sorgte. Ein Beispiel für eine schlecht gewählte Earnout-Struktur? Das verneint Fabian Heilemann. Die Post-Merger-Integration sei fehlgeschlagen, weil DailyDeal kulturell nicht zu Google gepasst habe. „Was bei uns nicht funktioniert hat, war die Degradierung vom Unternehmer zum Administrator in einer riesigen Organisation mit der berühmten Google Matrix. Auf einmal hast Du fünf Vorgesetzte für fünf verschiedene Themen. Das Unternehmen ist langsam geworden, hat seine Agilität und auch gute Leute verloren, weil sie sich nicht mehr entfalten konnten. Das war der Grund für den Rückkauf. Wir wollten einfach nur unsere unternehmerische Selbstbestimmung zurückhaben. Es ging nicht mehr vorrangig um finanzielle Aspekte. DailyDeal war zu diesem Zeitpunkt bezüglich der Anzahl der Mitarbeiter:innen in Deutschland noch größer als Google, doch das Unternehmen hatte das strategische Interesse an der Gutschein-Plattform verloren. Das Gutschein-Geschäft war zwischenzeitlich weltweit eingebrochen. Die Schattenseite eines Hypes: Sie sind irgendwann immer vorbei. Wieviel die Heilemann-Brüder genau zahlten, um ihr Unternehmen zurückzubekommen, ist unbekannt. Viel kann es allerdings nicht gewesen sein. Immerhin kauften sie ein stürzendes Geschäft. Vielleicht, manchmal klingt es im Gespräch so an, war es sogar eine Art Barter-Deal. Der amerikanische Tech-Gigant schrieb das Geld ab, dass er für das deutsche Unternehmen gezahlt hatte. und vermied dadurch schlechte Presse, die der Konzern kassiert hätte, wenn er Hunderte DailyDeal-Mitarbeiter:innen auf die Straße gesetzt hätte. Zu diesem Zeitpunkt ein lohnendes Geschäft für die Amerikaner. Aber zurück zur Earnout-Frage: Ein Earnout ist der zweite Anteil eines Kaufpreises, der nicht zum Zeitpunkt des Exits, sondern zu einem späteren Zeitpunkt abhängig von bestimmten Kriterien bezahlt wird. Die Struktur, die Google den Heilemann-Brüdern beim Kauf von DailyDeal für ihre Earnouts auferlegte, war nicht performance-, sondern zeitbasiert. Für Fabian Heilemann ist dies zwar nicht der Grund, warum der Merger mit Google scheiterte, trotzdem hält er zeitbasierte Earnout-Strukturen nicht für optimal. „Damit kreierst du institutionalisierte Frühstücksdirektoren und setzt völlig falsche Incentives. Die Gründer müssen nur anwesend sein und irgendwie mitmachen. Dabei ist völlig egal, was der Output ist.“ Der performance-basierte Earnout dagegen ermögliche es den Gründer:innen, nach dem Verkauf weiterhin unternehmerisch zu agieren. Die Käufer:innen, so Heilemann weiter, müsse dann allerdings auch bereit sein, diese Freiheit zu gewähren. „Wenn er zu stark reinregiert, hat es der Gründer schwer, seine Ziele und damit seinen Earnout erreichen zu können. Genau da liegt die Schwierigkeit. Diese Freiheit wird nicht allzu oft gewährt“, sagt Heilemann. "Wir wollten einfach nur unsere Unternehmerische Selbstbestimmung zurückhaben. Es ging nicht mehr vorrangig um finanzielle Aspekte." -Fabian Heilemann Warum zeitbasierte Earnout-Strukturen überhaupt gewählt werden? Weil sie zumindest auf den ersten Blick Prozesse vereinfachten, erklärt Fabian Heilemann. Bei performance-getriebenen Earnouts entstünden häufig Auseinandersetzungen zwischen Gründer:innen und Käufer:innen über das erbrachte Ergebnis, denn diese seien nicht nur interdependent, sondern auch interpretationsanfällig. Gründer:innen können beispielsweise argumentieren, man habe nur 50 % des Umsatzziels erreicht, weil die Käufer:innen das Budget zusammengestrichen habe. Der Teufel steckt im Detail. Google habe aufgrund dessen grundsätzlich von performance-basierten Earnouts abgesehen und den Heilemann-Brüdern so genau das genommen, wofür sie brannten: unternehmerische Freiheit und Selbstverwirklichung. Zwar waren die Brüder aus Hameln schon als Kinder davon überzeugt, in finanziellem Reichtum Erfüllung zu finden. Einmal erreicht, war es aber eben nicht mehr das Geld, das die Heilemann-Brüder weiter antrieb. Im Gegenteil, ohne ihre Schaffenskraft verkümmerten sie langsam. Trotz der vielen Nullen auf ihren Konten. Ähnlich erging es auch Heiko Hubertz: Die phrasenhaft e, doch trotzdem sich bestätigende Erkenntnis, dass Geld zwar einen gewissen Grad an Freiheit und Sicherheit gibt, doch nicht langfristig glücklich und zufrieden machen kann, traf auch ihn. „Das Problem ist, in gewissen Größenordnungen, wenn du die elementaren Dinge dann gekauft hast: Was machst du danach mit deinem Geld? Wenn ich es noch teurer, noch exklusiver habe, lebe ich ja nicht unbedingt besser.“ Der Wahl-Hamburger stellte fest, ähnlich wie Fabian Heilemann, dass es das Unternehmertum selbst war, das ihn nachhaltig glücklich machte. „Also nahm ich mein Geld und gründete wieder. Verena Hubertz kann sich aktuell nicht vorstellen, für eine weitere Gründung noch mal so viel Energie und Leidenschaft über einen ähnlich langen Zeitraum aufbringen zu können. Nach sieben Jahren hat sie Kitchen Stories Ende 2020 verlassen und kandidiert für die SPD um ein Bundestagsmandat ihrer Heimatstadt Trier. Ihre Co-Founderin Mengting Gao verbleibt im Unternehmen. Doch sie und ihre Mitgründerin gingen von Anfang an anders an ihre Gründung heran als Heiko Hubertz oder die Heilemann-Brüder. „Wir haben bei der Gründung nicht an einen Exit gedacht. Wir waren leidenschaftlich von unserer Idee überzeugt und hatten auch gar nicht die Vision von dem, was aus Kitchen Stories letztlich geworden ist. Wir dachten, das wird so ein kleines Ding mit ein, zwei Leuten, wovon wir gut leben können. Und dann nahm das aber immer mehr an Fahrt auf. Jetzt sind wir 60 im Team." "Ich glaube, dass es eine deutsche Tugend ist, eher zurückhaltend zu sein. Was bringt es einem, darüber zu sprechen?" - Heiko Hubertz Den Exit, der dann schließlich doch kam, nahmen sie als solchen nicht direkt wahr. Mit BSH haben sie keinen Investor gewonnen, sondern einen strategischen Partner, wie die Unternehmerin betont. Hubertz und Gao verfolgten schlichtweg nicht die Absicht, ihr Unternehmen an den Meistbietenden wegzugeben und es dann zu verlassen. Sie wollten ihren Weg mit der Firma weitergehen und an der „Küche der Zukunft “ feilen. „Wir haben 15 Parteien, mit denen wir uns abstimmen mussten, gegen eine getauscht und wussten, mit BSH können wir richtig etwas bewegen. Wir haben uns gefreut. Das war jetzt aber nicht so in der Art: Geil, Unternehmen verkauft, ab geht’s nach Mallorca." Für Fabian Heilemann und seinen Bruder Ferry hat sich nach dem Verkauf von DailyDeal einiges verändert. Heute nutzen beide ihre unternehmerische Freiheit, um ihre Werte viel stärker in den Fokus ihrer Investments zu rücken. Dazu gehören vor allem die Themen Nachhaltigkeit und Unternehmenskultur. So setzen sie sich mit ihrer gemeinnützigen Organisation „Leaders For Climate Action“ für den Klimaschutz ein und achten bei ihrer 2015 gegründeten Digital-Spedition forto, früher Freighthub, auf eine Kultur, die den Interessen aller Stakeholder bestmöglich gerecht wird. Doch bei aller Offenheit dieser drei Gründer:innen, konkrete Zahlen klammern sie in allen Gesprächen fast immer aus. Keine:r der drei Gründer:innen verrät, was sie tatsächlich am Exit nach Abzug aller Kosten verdient haben. Warum? Es habe mit einer gewissen Neidkultur, die in Deutschland herrsche, zu tun. Auch sei es ab einer gewissen Größenordnung ein Sicherheitsthema, sagt Heiko Hubertz. Aber vor allem sei es eine Haltung: „Ich glaube, dass es eine deutsche Tugend ist, eher zurückhaltend zu sein. Was bringt es einem, darüber zu sprechen?“ Auf der einen Seite werde Unternehmertum im Sinne des Mittelstands in Deutschland als etwas Erstrebenswertes angesehen, andererseits werden „materielle Erfolge hierzulande nicht gefeiert“, so Fabian Heilemann. Wie in den USA beim Dinner off en über Gehälter zu sprechen, sei bei uns undenkbar. Und dann sagt er etwas, das die Frage nach der genauen Summe des Exits auf einen Schlag marginalisiert: „Wir haben uns nicht über die Summe des Exits oder des Unternehmenswerts definiert, sondern über unsere unternehmerische Aufbauleistung. Und welches Preisschild der Markt dann daran hängt, das kannst du eh nicht steuern. Der Mensch, der Unternehmer, ist sehr viel mehr als die Summe des letzten Exits. Deswegen werden wir nicht gern nur darüber wahrgenommen." Verena Hubertz dürft e das genauso unterschreiben und sogar Heiko Hubertz würde dem heute wahrscheinlich zustimmen. Für ihn ging es scheinbar lange nur um den Exit des Geldes wegen. Bis er merkte, dass der Wert des Exits auch im Zugang zu sich selbst als Unternehmer lag.

  • Von Luxusmarken lernen: Was Rolex und Co. so anziehend macht

    Warum stehen Menschen bei Rolex, Chanel und Louis Vuitton vor der Tür Schlange? Diese Marken sind Meister des psychologischen Marketings und Brand Buildings – wir Unternehmer:innen können davon lernen. Ich nenne es “The Rolex Code”. Derzeit produziert Rolex jährlich etwa 1,1 Millionen Uhren (Symbolbild). Luxuslabel lassen ihre Kundinnen und Kunden Schlange stehen, nur um sie am Ende auf eine Warteliste zu setzen. Luxusmarken sind deshalb Luxusmarken, weil sie nicht nur im Marketing ziemlich viel richtig machen. Das beginnt mit langfristigem Denken. Sie setzen auf hohe Preise, künstliche Verknappung und langfristige Positionierung auf dem Markt. Verlangen durch Verweigerung Derzeit produziert Rolex jährlich etwa 1,1 Millionen Uhren – mehr als vor der Krise, aber es sind immer noch weniger Uhren als nachgefragt werden. Rolex produziert bewusst unter der Nachfrage. Wer das sofortige Kaufglück verweigert, erzeugt Verlangen. So halten Luxus-Marken das Verlangen ihrer Kunden hoch. Die Menschen sind bereit, monatelang auf eine Uhr im Wert von 25.000€ und mehr zu warten – Ausgang ungewiss. Mir ging es ähnlich. Auch ich wollte mir zur Feier meiner ersten Umsatzmillion (für mich als “Arbeiterklassenkind” ein vormals unerreichbares und somit sehr besonderes Ziel) eine Rolex gönnen und wurde sehr oft vertröstet. Wer eine Rolex will, darf warten. Auch das französische Familienunternehmen Hermès arbeitet mit dem Verknappungseffekt und verkauft die Taschenmodelle „Kelly“ sowie „Birkin“ rationiert. Das Gleiche gilt für einige Taschen bei Louis Vuitton. Diese Form der Verknappung ist ein machtvolles Marketing-Instrument – auch bei digitalen Produkten. Wer das sofortige Kaufglück verweigert, erzeugt Verlangen. Jeder kann Luxus-Marken kaufen Sie ist die Prachtstraße, Aushängeschild und Sehnsuchtsort für internationale Fashionistas – die Düsseldorfer Königsallee. Ich bin öfter dort – wohne ich doch in der Nähe. Ich umgebe mich mit diesem Vibe, ich liebe den bewussten Umgang mit Luxus, und für mich ist es gleichzeitig eine große Inspiration, für meinen Drang nach der Analyse von Menschen, den ich als Sozialpsychologin habe. Jeder, der dort shoppen will und kann, der darf. Die Verkäufer:innen fragen nicht, ob sich jemand ein teures Teil leisten kann, wenn sie eine Kreditkarte annehmen. Sie denken schlichtweg nicht ans Portemonnaie ihrer Kunden, was viele Mittelständler und Selbstständige das machen. Luxusmarken laufen niemandem hinterher. Ganz im Gegenteil. Das gibt mir als Unternehmerin zu denken. Die Frage ist: Lasse ich es zu, dass diejenigen, die können und wollen, mein Produkt kaufen? Oder treffe ich eine Selektion, sei es durch Ansprache, Marketing oder die möglichen Zahlungsmethoden? Luxusmarken kennen ihren Wert Luxusmarken laufen niemandem hinterher. Ganz im Gegenteil. VIP-Treatment gibt es bestenfalls für besonders potente Kundinnen und Kunden, die regelmäßig ihr Geld für die Edelprodukte ausgeben. Wir Unternehmer:innen liefern den besten Gegenwert für unseren Preis. Und genau diese Haltung müssen wir ausstrahlen – als Mensch und als Marke. Die teuren Label machen es uns vor, sie wissen um ihren Ruf und um ihre Bedeutung. Es gibt keine Preisgrenze Wie teuer darf eine Dienstleistung, ein Produkt sein? Es gibt keine Regeln, jedenfalls nicht für Luxusmarken. Für jedes Angebot gibt es die passende Zielgruppe, die sich aus ihrem Investment in ein Luxusgut ein Vielfaches kreiert. Sei es monetär, energetisch oder emotional. Über Jackie Sharon Tamblyn: Die Sozialpsychologin und Sozialwissenschaftlerin ist Business & Money-Coach und Gründerin der ALL IN ACADEMY. Ihr einzigartiges Know-How verbindet Psychologie mit Marketing-Expertise, so dass auch bekannte Branchen-Größen sich von ihr zu mehr Erfolg und höheren Umsätzen coachen lassen. Sie selbst hat innerhalb von 17 Monaten nach dem Gründen ihre erste Umsatzmillion erwirtschaftet und wächst stetig. Ihr Coaching mit den Kernthemen Geldpsychologie, Luxus Personenmarkenbildung und Vertrieb sind so gefragt, dass sie in Gruppencoachings ihr Wissen weiter gibt und Wartelisten für ihre private Coachings hat, die im 6-stelligen Bereich liegen. Webseite: www.allinacademy.de

  • Wie Tandemploy den Exit schaffte

    Das Startup Tandemploy hat mit seiner Jobsharing-Idee den Bereich New Work in Deutschland mit vorangetrieben. Im Februar 2022 verkauften die beiden Gründerinnen, Anna Kaiser und Jana Tepe, Tandemploy an das globale HR-Unternehmen Phenom. Im Interview sprechen die beiden über ihre Übernahme und die vielen Veränderungen. Das Startup entwickelt eine hochinnovative Enterprise Software, die die eingefahrenen Strukturen in Unternehmen aufbricht, indem sie Mitarbeitende für kollaborative Arbeits- und Lernformen vernetzt. Foto: Tandemploy Anfang Februar wurde Euer Exit und der Verkauf von Tandemploy an Phenom bekannt. An welchem Punkt steht die Übernahme gerade? Jana Tepe: Wir sind aktuell mitten in der Integrationsphase. Jetzt geht es darum zu schauen: Wie sehen die neuen Rollen für unser Team aus? Wie binden wir unsere Software und alle unsere Bereiche bei Phenom ein? Am Ende soll die Tandemploy-Software viel stärker international zum Einsatz kommen. Was heißt das für Euer Produkt? Anna Kaiser: Tandemploy wird in der Phenom Lösung aufgehen, indem wir den Bereich Employee Experience und den Aufbau von internen Talent-Marktplätzen verstärken. Künftig soll die Software überall auf der Welt zum Einsatz kommen. Das heißt, sie muss zu unterschiedlichen Arbeitsmärkten passen – und allein in Europa variiert die Situation schon sehr von Staat zu Staat. Anna und mir kommt deshalb künftig die Aufgabe zu, Phenom als Leader in Europa beim Wachstum helfen, die Standorte weiter auszubauen – und dabei die unterschiedlichen Gegebenheiten in der EMEA-Region und insbesondere in Europa zu beachten. Was gilt es beim Datenschutz zu beachten? Wie muss unsere Software aussehen, damit sie von Betriebsräten akzeptiert wird? In diesen Fragen bringt unser Team bereits sehr viel Expertise mit und bringen wir unser Wissen nun bei Phenom ein. Immer mehr Firmen suchen bei offenen Stellen nach Potential im eigenen Haus und wollen dafür auf Tandemploy setzen. Mit dem Schritt werdet ihr von Gründerinnen zu Managerinnen. Wie fühlt sich das an? Jana Tepe: Für uns ist das gerade eine spannende Phase: Einerseits sind wir noch in der Geschäftsführung von Tandemploy und achten darauf, dass bei der Integration mit Phenom die Stärken von beiden Unternehmen genutzt werden. Gleichzeitig starten wir schon Stück für Stück in den neuen Positionen. Ich werde künftig das Marketingteam für die Region Europe, Middle East and Africa (EMEA) aufbauen. Anna wird für den europäischen Markt eine Netzwerker-Rolle einnehmen, Events veranstalten, Vorträge halten und die Themen weiterdenken, die Phenom aufgreifen kann. Das klingt nach viel Veränderung. Wieso habt ihr euch dafür entschieden, Tandemploy zu verkaufen? Jana Tepe: Tandemploy war in der Pandemie so nachgefragt, dass wir dieses Potential besser nutzen wollten. Als wir gestartet sind, haben wir lange überlegt, wie wir unser Produkt nennen. Spätestens seit der Pandemie ist Talent Marketplace ein feststehender Begriff. Immer mehr Firmen suchen bei offenen Stellen nach Potential im eigenen Haus und wollen dafür auf Tandemploy setzen. Unser Geschäftsmodell ist in dieser Zeit durch die Decke gegangen. Warum habt ihr aber gerade dann verkauft? Anna Kaiser: Wir haben gemerkt, dass rund um den Talent Marketplace ein Riesenmarkt entstanden ist. Wir hatten also plötzlich weltweite Konkurrenz – auch von riesigen Tech-Firmen. Zwar hatten wir die Erfahrung und den Wissensvorsprung und haben so in Ausschreibungen gegenüber den Wettbewerber:innen gewonnen, verglichen mit ihnen waren wir aber ein super kleiner Player. Uns war klar: Wir müssen wachsen! Wir hätten dafür entweder selbst ein sehr großes Funding aufnehmen oder uns ein weiteres Unternehmen suchen können, das uns perfekt ergänzt und mit dem wir den nächsten Schritt gemeinsam gehen. Wieso ist die Wahl auf Phenom gefallen? Jana Tepe: Wir wollten groß denken und uns ein Unicorn im HR-Tech-Bereich suchen, das uns auf eine höhere Stufe der Skalierung hebt. Mit Phenom war das möglich, wir haben von einem Tag auf den anderen 1600 neue Kolleg:innen bekommen. Gleichzeitig hat Phenom einen ähnlichen Anspruch wie wir: Beim Aufbau der Software von den Menschen auszugehen und für sie den größtmöglichen Nutzen zu schaffen. Wir wollten eine Firma haben, die sich genauso hohe Ziele steckt wie wir, die aber auch kulturell zu uns passt und wo wir auf Augenhöhe Verantwortung übernehmen und mitgestalten können. Das haben wir bei Phenom gefunden. Wenn man so viele Jahre ein Unternehmen aufbaut und führt – ist euch der Exit da nicht trotzdem schwergefallen? Anna Kaiser: Es war ein längerer Prozess, bis wir zu dem Entschluss gelangt sind. Wir wollten den größtmöglichen Impact generieren und die Arbeitswelt so ein Stück mitgestalten. Als eine Firma mit einem 30-köpfigen Team konnten wir aber nur schwer gegen die zunehmende Konkurrenz ankommen. Als wir erkannt haben, dass wir mit Phenom Kund:innen auf der ganzen Welt erreichen können, war die Entscheidung relativ leicht. Aber es hat etwas gedauert, gedanklich an diesen Punkt zu kommen. Wie habt ihr diesen Schritt vorbereitet? Jana Tepe: Wir haben uns Unterstützung von einer M&A-Boutique geholt und unsere Team-Leads schnell ins Boot geholt. Später haben wir mit Phenom besprochen, dass wir das gesamte Team einweihen dürfen. Das war genau der richtige Schritt, denn wir haben uns sehr viel Zeit genommen und unser Team konnte sich so gedanklich in Ruhe damit befassen, was der Schritt für sie bedeutet. Das würde ich auf jeden Fall wieder so machen. Was habt ihr rund um den Exit als besonders herausfordernd erlebt? Anna Kaiser: Bei jedem Prozess – nicht nur bei der Integration, sondern auch im Vorfeld bei der Due Diligence – ist das anstrengendste, die viele verschiedene Parteien zu orchestrieren. Wir mussten nicht nur das Team abholen, sondern auch die Investor:innen, die alle unterschiedliche Meinungen zu unserer Entscheidung hatten. In dieser Situation wird Führung noch mal auf ein ganz anderes Level gehoben. Wir haben in dieser Zeit aber auch viel gelernt. Was müsste in Zukunft passieren, damit ihr sagt, der Schritt war richtig? Jana Tepe: Die Vision von Phenom heißt übersetzt: „einer Milliarde Menschen dabei zu helfen, den richtigen Job zu finden“. Wenn wir da unseren Beitrag leisten können und dafür sorgen, dass Menschen in ihren Unternehmen weiterhin glücklich sind, dann ist das eine Riesen-Errungenschaft. Wenn es uns gelingt, unsere Software so gut integrieren, dass wir Menschen und Firmen weltweit dabei helfen, anders zu arbeiten, dann haben wir unser Ziel erreicht.

  • Warum ich nicht mehr auf Diversity-Panels sprechen werde

    Weltfrauentag | Immer wieder bekomme ich Einladungen, auf Konferenzen über Diversity zu sprechen und Teil von Diversity-Panels zu sein. Klar, liegt im ersten Moment nahe. Zumindest fürs Thema Gender-Diversity. Ich bin eine Frau und habe ein Wirtschaftsmagazin für Frauen gegründet – also ist das genau das Thema, über das ich sprechen sollte, denken offenbar viele. Aber: Einladungen für solche Panels landen bei mir direkt im Papierkorb. Und das hat einen guten Grund. Es ist ein typisches Bild auf den meisten Konferenzen: Auf den Bühnen sitzen viele Männer, meistens weiße, und diskutieren eifrig über ihr Fachgebiet. Irgendwo am Rand gibt es dann oft noch eine kleinere Bühne, auf der ein anderes Programm stattfindet. Gefühlt eine andere Welt. Hier wird dann zum Beispiel darüber gesprochen, warum diverse Teams erfolgreicher sind, warum die Wirtschaft mehr Vielfalt braucht und warum das wichtig für uns alle ist. Auf dieser Bühne sieht man sie dann auch: die Frauen, People of Colour und vielleicht ist auch noch jemand aus der LGBTQ-Community mit dabei. Hier dürfen dann auch sie sprechen. Als wären sie, qua Geschlecht, qua Hautfarbe oder Sexualität, die Expert:innen in Sachen Diversität. Auch ich werde häufig gefragt, ob ich an Diversity-Panels teilnehmen will. Meine Antwort lautet dann sehr schnell: Will und werde ich nicht mehr! Denn ich kriege nicht nur immer wieder solche Einladungen, ich kriege auch regelmäßig die Krise, wenn ich gefragt werde, auf solchen Panels aufzutreten. Vorweg: Natürlich sind Diversity-Panels wichtig und natürlich finde ich das Thema spannend, aber ich bin keine Expertin auf dem Gebiet. Wovon ich ernsthaft etwas verstehe, sind Fragen wie: Wie kann man sein Unternehmen zukunftsfähig aufstellen? Oder wie sieht modernes Leadership aus? Ich bin Gründerin und CEO von vier Unternehmen (meine Holding mit eingerechnet) und da würden einem oder einer Journalist:in ganz andere Fragen einfallen, wenn ich ein Mann wäre. Wir brauchen Rolemodels! Da es den meisten Frauen meines Kalibers, die ich kenne, schon mal ähnlich ergangen ist, hier ein paar Zahlen. Sie zeigen, wie groß das Problem wirklich ist: Der „Gender Diversity & Inclusion in Events Report“ von 2018 hat ergeben, dass 70 Prozent der Speaker:innen auf Events weltweit Männer sind, auf deutschen Konferenzen sind sogar nur 16 Prozent Frauen. Eine Studie aus dem Jahr 2019 zeigt: Es bessert sich etwas, aber langsam. 2019 waren bereits 33 Prozent der Speaker:innen auf Events Frauen. Wie sich die Sache weiter entwickeln wird, wird sich zeigen, durch die Pandemie sind die Zahlen der vergangenen Jahre unvollständig. Die Open Society Foundation zeichnet ein ähnliches Bild. Sie legt den Fokus auf die wichtigsten politischen Konferenzen in Mittel- und Osteuropa – das Ergebnis: drei von vier Vorträgen wurden von Männern gehalten, besonders unterrepräsentiert waren die Frauen bei den Themen Außen-, Sicherheits- und Klimapolitik. Ähnlich ist es bei Wirtschaftsthemen. Geht es hingegen um Diversity, sind Männer kaum vertreten. Das ist dann also Frauensache. Das heißt dann, dass da auf den Panels zum Beispiel Ökonominnen sitzen, die erzählen müssen, wie sie als Frau in ihrer Branche klarkommen. Fintech-Gründerinnen sprechen darüber, wie es für Frauen ist, in dieser Branche Geld einzusammeln. Dabei sollten sie doch, wie die Männer auch, darüber reden, was sie wirklich machen. Das würde nicht nur ihren Status zeigen, sondern auch die Konferenzen besser machen. Außerdem brauchen wir Rolemodels, anhand derer andere Frauen sehen können: Auch sie können auf der Bühne stehen. Also sehen wir hier ein tiefsitzendes systemisches Problem. Die Gatekeeper, die sich um die Besetzung der Panels kümmern, sind in den meisten Fällen Männer. Und die haben meist männlich dominierte Netzwerke, aus denen sie ihre Buddies für Panels besetzen. Exakt wie bei den Vorstandsposten – früher zumindest. Brauchen wir deswegen eine Quote? Vielleicht. Ich wünsche mir jedoch, dass wir nicht jeden Bereich unseres Lebens durchregulieren müssen, um eine Veränderung zu schaffen. Wir müssen Frauen sichtbar machen! Das Problem liegt eher darin, dass die meisten Veranstalter:innen keine Zeit – und das heißt keine Lust – haben, sich wirklich mit dem Problem zu befassen. Dabei könnte man locker jedes Panel mit einer Expertin besetzen. Zu sagen, dass es schwer ist, sie zu finden, oder dass es sie gar nicht gäbe, ist schlicht falsch – wir treten mit jeder STRIVE-Ausgabe, in der wir tolle Frauen sichtbar machen und deren Geschichten erzählen, den Gegenbeweis an. Tijen Onaran, Gründerin von Global Digital Women drückt es mit dem Titel ihres Buches recht gut aus: „Nur wer sichtbar ist, findet auch statt“. Sie bezieht sich damit zwar in erster Linie auf soziale Medien, auf Panels ist es aber ähnlich. Denn nur wer über seine Themen sprechen darf, wird auch wahrgenommen. Wir müssen die Realitäten anerkennen, dass Frauen es verdient haben, auf denselben Bühnen zu sitzen wie ihre männlichen Kollegen und dass ihre Stimmen als Expertinnen mindestens genauso laut gehört werden müssen. Zu allen Themen, aber vor allem: zu ihren fachlichen Themen. Für die sie Expertinnen sind. Diese Anforderung habe ich in Zukunft an die Event-Veranstalter:innen dieses Landes. Zumindest, wenn sie möchten, dass ich dort spreche.

  • Glücklicher werden: 3 Tipps von Top-Coach Jens Corssen

    Wie man im Job Erfolg hat, im Alltag zufriedener wird und sich zum Besseren weiterentwickelt, weiß kaum jemand besser als Jens Corssen. Der 79-Jährige ist einer der bekanntesten und erfahrensten Business Coaches Deutschlands und mehrfacher Bestseller-Autor. Mit seinen Klient:innen – darunter Top-Manager:innen, Führungskräfte und Spitzensportler:innen – arbeitet er daran, wie man als „Selbstentwickler:in“ sein Leben steuert, schlechte Gewohnheiten ablegt und sich gute antrainiert. Hier verrät er drei Tipps, wie das gelingt. 1. Von den eigenen Erwartungen lösen: Ob am Arbeitsplatz, in der Ehe oder ganz banal im Stau – wer unzufrieden ist, stört sich meistens daran, dass die Realität nicht so ist, wie man es sich vorgestellt hat. Das Gehirn ist dann im „inkohärenten Zustand“. Dieser Zustand kostet viel Energie. Energie, die man eigentlich bräuchte, um nach Lösungen zu suchen. Wer das vermeiden will, muss sich an der Realität orientieren und darf sie nicht ständig mit den eigenen Erwartungen abgleichen. Corssens Tipp: Sich jeden Morgen vor Augen führen, dass auch negative Erfahrungen zum Leben dazugehören. Dabei hilft der Satz: „Willkommen Tag, ich erwähle dich mit allem, was du bringst.“ Um dabei etwas mehr Abstand zum Alltag zu gewinnen, hilft es, sich dabei zusätzlich auf einen Stuhl zu stellen – als Sinnbild für die Meta-Ebene des Lebens. Jens Corssen praktiziert diese Übung nach eigener Aussage jeden Morgen. 2. Raus aus der Opferrolle Vor allem im Beruf werden wir oft mit Aufgaben konfrontiert, über die wir nicht entscheiden können. Viele Menschen fühlen sich dann fremdbestimmt. Was soll man auch gegen den Wust an Aufgaben auf dem eigenen Schreibtisch oder den kilometerlangen Stau tun, außer sich gepflegt darüber zu ärgern? Wer so durch das Leben geht, übersieht aber ein entscheidendes Detail: Denn die Situation, in der wir uns befinden, haben wir oft selbst gewählt – und zwar oft, weil uns andere Optionen, wie Corssen es nennt, noch „ungünstiger” erscheinen. Corssens Tipp: Morgens nach dem Aufstehen nicht direkt an die anstehenden Aufgaben denken, sondern sich einen Moment nehmen und sich fragen: Mache ich heute noch mal mit? Wenn ja entscheidet man sich bewusst dazu. Im zweiten Schritt blickt man auf die Herausforderungen des Alltags – zum Beispiel die Arbeit – wie auf ein mentales Fitnesscenter. Mitarbeiter:innen, Chef:innen und die eigenen Aufgaben sind darin dann die Trainingseinheiten. 3. Auf die Wortwahl achten Wenn es um die eigenen Erwartungen geht, spielen auch Werte und Bewertungen eine große Rolle. Da wird die eigene Firma schon mal zum „Sauladen“ und die anderen Verkehrsteilnehmer im Stau zu „blöden Idioten“. Im ersten Moment fühlen wir uns vielleicht besser, wenn wir mit diesen Worten mal ordentlich Dampf ablassen. Letztendlich beeinflussen die negativen Gedanken aber auch unser Handeln, sie machen uns zum Beispiel reizbarer und unfreundlicher. Das bleibt dann auch den Kolleg:innen und den Führungskräften nicht verborgen und kann Konsequenzen bedeuten – und schon ist man in einer Negativspirale gefangen. Corssens Tipp: Die typischen Beschwerde-Sätze und -Worte einmal aufschreiben. So macht man sich bewusst, wie man über die Arbeit, den Partner oder den Stau denkt und kann sich selbst bremsen, bevor man sich wieder aufregt. Stattdessen kann man die eigenen Gedanken auch nutzen, um beispielsweise mutiger zu werden: Dafür nimmt man sich regelmäßig ein paar Minuten Zeit und spielt gedanklich eine Situation durch, in der man gerne mutig wäre. Mit der Zeit gewöhnt sich das Unterbewusstsein an diese Verhaltensweise und beeinflusst so wieder unser Handeln – diesmal aber zum Guten. Wie man die Selbstentwicklung angeht und vom Handeln ins Tun kommt, darüber hat Jens Corssen in der STRIVE-Masterclass: „Selbstentwicklung“ am 22.März 2022 gesprochen. Haben Sie das Event verpasst? Als STRIVE-Abonnent:in können auf die Aufzeichnung kostenlos zugreifen. Hier geht es zu unseren Event-Bereich.

  • Engagiert auf allen Ebenen

    What’s my job? | Als Senior Managerin in der Wirtschaftsprüfung von EY treibt Elizabeth Holland die Transparenz in der Businesswelt voran. Privat managt die gebürtige US-Amerikanerin ihre Familie mit drei Kindern und hilft ehrenamtlich bei einer Sozial-Initiative. Wie das funktioniert? Das erzählt sie hier. Elizabeth Holland ist Senior Managerin in der Wirtschaftsprüfung bei EY. Foto: EY In meinem Job dreht sich alles um Compliance. Darunter versteht man bei Unternehmen, dass sie sicherstellen, allen Gesetzen, Richtlinien und freiwilligen Standards gerecht zu werden. In einer globalisierten Welt mit wachsenden regulatorischen Anforderungen ist das eine komplexe Aufgabe, für die viele unterschiedliche Expertisen und Sichtweisen zusammenkommen müssen. Als Teil des Forensics-Teams bei EY in Deutschland unterstütze ich Unternehmen einerseits ihr Compliance-System auszubauen, um Regelverletzungen zu minimieren. Andererseits helfen wir mit unserem interdisziplinären Team auch, geschehene Unregelmäßigkeiten aufzuklären und für die Zukunft zu verhindern. „Das Beste an meinem Job ist die Vielfalt an Themen und Mandaten.“ Mir gefällt das internationale, vielsprachige Umfeld, wo ich meine Kenntnisse als Anwältin aus den Vereinigten Staaten optimal einbringen kann und immer Neues dazulerne. So bin ich aktuell an einem Investigationsprojekt für einen deutschen Mandanten in China beteiligt. Dabei arbeiten wir in drei unterschiedlichen Sprachen, überbrücken die große Zeitverschiebung und klären einen vielschichtigen Sachverhalt. Eine abwechslungsreiche, erfüllende Tätigkeit – aber bleibt da noch genug Raum für Familie und Freizeit? Das flexible Arbeiten bei EY ermöglicht mir und meinen Liebsten die richtige Wohlfühl-Balance. Das hat sich insbesondere während der Corona-Pandemie gezeigt, als ich meine Kinder im Homeschooling unterrichten musste. Ich konnte kurzfristig meine Arbeitsstunden und -tage anpassen – eine tolle Sache in einer sehr herausfordernden Zeit! Auch die Möglichkeit, von zu Hause zu arbeiten, erleichtert es mir, Privates und Berufliches besser zu vereinbaren. „In meinem Arbeitsumfeld finde ich die nötige Unterstützung, um meine Stärken und Interessen auszuleben.“ Durch die große Flexibilität im Job kann ich mich zudem für ein soziales Herzensthema engagieren: Jedes Jahr helfe ich in einem Ehrenamt, das unter anderem den Menschenhandel und all das damit verbundene Leid bekämpft. Auch hier einen Beitrag für mehr Gerechtigkeit und Transparenz in der Welt leisten zu können, ist für mich sehr inspirierend! 44 % der Mitarbeitenden bei EY sind weiblich 38 % der EY-Führungskräfte sind Frauen 14 % der Mitarbeitenden bei EY arbeiten in Teilzeit Neugierig geworden, was man alles in der Wirtschaftsprüfung von EY machen kann und welche Vorteile die Arbeitskultur im Unternehmen sonst noch bietet? Wer mehr über eine Karriere in Bereichen wie Forensics, Audit und Accounting-Beratung erfahren möchte, findet hier alle Infos und Einstiegsmöglichkeiten bei EY . Wir freuen uns immer, engagierte Talente kennenzulernen, die mit uns etwas bewegen wollen!

  • Führung nach Corona

    Kolumne | Die Pandemie hat das Thema Führung vom Kopf auf die Füße gestellt, findet HR-Expertin Gitta Blatt. Ihre Lösung: Unternehmen müssen flexibel sein und Führungskräfte mehr Kontrolle abgeben. Unternehmen müssen versuchen Aktivitäten weniger direkt zu steuern Foto: Pexels (Symbolbild) Ich werde oft gefragt, wie sich Führung nach Jahren der Pandemie und unsicherer Weltwirtschaftslage wandeln wird. Mit sich schnell verändernden Geschäftszyklen, global verteilten Mitarbeiter:innen und schneller ablaufenden Strategien brauchen wir ein hohes Veränderungstempo der Organisation. Die Krise hat gezeigt: Kultur, Engagement, individueller Charakter und die Fähigkeit von Teams, effektiv zusammenzuarbeiten, zeichnen die Unternehmen aus, die jetzt leistungsstark sind. Die Hebel der Führung sind weniger sichtbar als die traditionellen, und sie sind schwieriger zu aktivieren. 1: Loslassen Gewöhnen Sie sich an weniger Kontrolle. Sie werden Aktivitäten weniger direkt steuern. Stattdessen sollten Sie sich darauf konzentrieren, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass die Menschen in ihrem Unternehmen flexibel auf Veränderungen reagieren können. Starke Beziehungen, Einfühlungsvermögen, Vertrauen, Kultur, reibungslose Zusammenarbeit und ständiger Informationsaustausch helfen. 2: Eine Einheit bilden Top-Führungskräfte bilden die Brücke der Organisation. Zwischen den externen und internen Kräften – und Ergebnissen, Wachstum, Rentabilität, Innovation, Kund:innenbindung. Ein einheitliches Führungsteam, Organisationsstruktur, Kultur und Mitarbeiter:innenengagement werden die Eckpfeiler für Erfolg in unsicheren Zeiten sein. „Gewöhnen Sie sich an weniger Kontrolle, daran, weniger direkt zu steuern.“ 3: Klare Bilder sehen Es lohnen sich vier weitere Zutaten: Erstens: ein klar formulierter Auftrag, ein Ziel und eine Vision. Zweitens: eine strategische Ausrichtung. Die wichtigsten Team-Ressourcen werden strategisch organisiert und eingesetzt. Drittens: Ihr Team ist motiviert, und statt Zeit- betreiben Sie lieber Energie-Management, das einen gemeinsamen Fokus und Rhythmus ermöglicht. Viertens: kontinuierliche Überwachung des Kontextes, um sicherzustellen, dass alle Bedingungen in einem hochdynamischen und schnelllebigen Umfeld aufeinander – und auf die Bedürfnisse des Unternehmens – abgestimmt bleiben. Wenn Sie diese Voraussetzungen erfüllen, funktioniert Ihre Organisation wie ein hochgradig abgestimmtes Netzwerk. Die Führungskräfte legen eine Strategie fest, kommunizieren diese, richten Mitarbeiter:innen und Ressourcen auf sie aus, engagieren und aktivieren die Teams, sodass sich alle Teile wie in einem Sog bewegen. Um das System effektiv am Laufen zu halten, wahren Führungskräfte die Kohärenz, indem sie sich verändernde Muster im internen oder externen Umfeld früh erkennen und anpassen. Dieser – auf Daten basierende – siebte Sinn ist unerlässlich. Über die Autorin: Gitta Blatt (57) ist Chief People and Culture Officer des FinTechs sevDesk . Zuvor war sie Managing Director Human Resources des Dentsu Aegis Network in Deutschland und Executive Vice President HR von Sky Deutschland.

  • Karrierebooster Parfum: So beeinflusst Ihr Duft Ihren Erfolg

    Anzeige | Es dauert 7 Sekunden, bis wir uns eine erste Meinung über einen Menschen bilden. Der erste Eindruck zählt also! Der erste Duft ebenso. Damit Ihr:e Chef:in Sie z.B. bereits im Job-Interview „gut riechen“ kann und das richtige Bild von Ihnen bekommt, ist auch die Auswahl des Parfüms elementar. Welches Parfüm muss ich wählen, um selbstbewusst aufzutreten oder was mache ich, wenn ich eine Kollegin oder einen Kollegen nicht riechen kann? Genau darüber haben wir mit dem Duftexperten Frederic Schuckert gesprochen, der im September 2021 exklusiv bei dem Beautyunternehmen Mäurer & Wirtz unter Vertrag ging. Seit mehr als 175 Jahren kreiert das traditionsreiche Familienunternehmen einzigartige Düfte und zählt zu den größten Duftherstellern in Europa. Herr Schuckert, we lange dauert es, bis wir entscheiden, ob wir jemanden riechen können? Ob wir jemanden riechen können oder nicht, ist eine instinktive und keine bewusste Entscheidung. Bereits in der Sekunde, in der wir einen Duft oder eine Person riechen, haben wir schon eine Meinung gebildet. Oftmals fällt es uns im Anschluss auch sehr schwer, diese Meinung noch einmal zu ändern. Kann das Parfüm Auswirkungen auf das Vorankommen im Job haben? Düfte können unsere Stimmung verbessern und haben so einen wesentlichen Einfluss darauf, wie wir uns täglich fühlen. Sollte also eine wichtige Präsentation oder ein Vorstellungsgespräch anstehen, ist es wichtig, einen Duft zu tragen, der das Selbstvertrauen stärkt. Zusätzlich kann ein Duft, der die eigene Identität und Individualität hervorhebt, dabei helfen, positiv im Gedächtnis zu bleiben. In gewisser Weise kann ein Parfüm also die Art und Weise beeinflussen, wie wir von anderen wahrgenommen werden und somit auch dazu beitragen, im Berufsleben weiterzukommen. Was mache ich, wenn ich ein Parfüm einer Kollegin oder eines Kollegen nicht riechen kann? Unsere Nasen passen sich an und gewöhnen sich mit der Zeit an Düfte. Vielleicht tritt diese Gewöhnung mit der Zeit ein oder schlägt sogar in Wohlgefallen um. Sollte das nicht der Fall sein, wäre eine ehrliche Bitte, vielleicht etwas weniger aufzutragen, bereits ein Schritt in die richtige Richtung. Der Duft, den man trägt, ist eine sehr persönliche Entscheidung und kann ein sensibles Thema sein. Daher also bitte mit Gefühl dosieren. Grundsätzlich haben Düfte je nach Kategorie eine unterschiedliche Intensität. Für alle, die auf der Suche nach einem unaufdringlichen Duft sind, ist ein Eau de Cologne eine gute Wahl. Die Kollektion von 4711 Acqua Colonia bietet zum Beispiel eine breite Auswahl. Colognes eignen sich sehr gut für den Berufsalltag, da der Duftöl-Anteil nicht so hoch ist, wie bei einem Eau de Toilette oder Eau de Parfum. "Das wichtigste Kriterium für den perfekten Business-Duft ist für mich, dass er seiner Trägerin ein gutes Gefühl und genügend Selbstvertrauen für den oftmals herausfordernden Berufsalltag verleiht." – Frederic Schuckert Riecht jede:r mit dem gleichen Parfüm gleich? Nein, denn die bakterielle Zusammensetzung unserer Haut ist von Mensch zu Mensch unterschiedlich. Daher reagiert und riecht ein Duft bei jedem Menschen etwas anders. Gibt es Business-Parfüms? Das wichtigste Kriterium für den perfekten Business-Duft ist für mich, dass er seiner Trägerin ein gutes Gefühl und genügend Selbstvertrauen für den oftmals herausfordernden Berufsalltag verleiht. Parfüms mit einem olfaktorisch anspruchsvollen Charakter eignen sich hierfür besonders, um auch im Job von den einzigartigen Fähigkeiten unserer Düfte zu profitieren – denn wenn wir wohl fühlen, strahlen wir automatisch auch gegenüber unseren Kolleg:innen Selbstbewusstsein aus. Mein persönlicher Tipp für jede:n, der oder die sich mit einem Duft von der Masse abheben möchte, ist die Nischenduftserie „Les Destinations“. Außerdem gilt: während der Arbeitszeit duftet z.B. ein Eau de Cologne angenehm frisch und leicht, verfliegt aber im Laufe des Tages und lässt insofern Spielraum dafür, sich nach dem Feierabend mit der Familie unparfümiert zu fühlen oder am Abend einen intensiveren Duft aufzulegen, der sich in der Geruchswahrnehmung nicht mit dem Eau de Cologne überschneidet. Von extrem süß-opulenten, aber auch zu sportlichen Noten würde ich mich im Business eher fernhalten. Welche Dufttrends können Sie gerade erkennen? Weiche, holzige Noten verleihen einem Duft einen sehr raffinierten, eleganten und hochwertigen Charakter und sind in vielen neuen Markteinführungen zu sehen. Zeitlose blumige Düfte und moderne Roseninterpretationen wie Baldessarini Bella sind derzeit sehr angesagt und eignen sich auch hervorragend für das Büro. Der Trend zu individuelleren Nischendüften ist auch für den Berufsalltag sehr passend und interessant. Mit einem Duft der sich abhebt, offenbart man sein Selbstbewusstsein. Apropos Charakter – für jeden und jede, der/die Wert auf Nachhaltigkeit legt, ist die Duftserie hej:pure ein heißer Tipp. Die Düfte sind dezent und natürlich, passend zu einem beruflichen Kontext, und zudem konsequent nachhaltig. Wie testet man ein Parfüm richtig? Es ist immer am besten, einen neuen Duft auf der eigenen Haut zu testen, da sich ein Parfum so ganz anders entwickeln kann als auf einem Duftstreifen. Außerdem ist es wichtig, den Duft nicht nur direkt nach dem Aufsprühen zu riechen, sondern auch nach zwei bis vier Stunden. So können sich sowohl die Kopfnoten, als auch die Herz- und Basisnote entfalten. Wann trage ich das Parfüm am besten auf? Ich würde empfehlen, den Duft am Morgen auf die Pulsstellen aufzutragen, damit er Zeit hat, sich zu entwickeln und mit der Haut zu verschmelzen. Haare und Textilien sind ein hervorragender Träger und lassen den Duft länger halten. Wenn das Parfüm mit einem parfümierten Duschgel desselben Duftes kombiniert wird, kann die Langlebigkeit noch verstärkt werden und eignet sich perfekt für einen langen Arbeitstag.

  • Wirtschaftswunder 2.0

    Kolumne | Im Vergleich zu anderen Ländern investiert Deutschland wenig Geld in seine Startups. Dabei wäre genau das der Schlüssel, um auch hier große Tech-Companys entstehen zu lassen, meint Hendrik Brandis von Earlybird Venture Capital. Das sei ehrgeizig gedacht, aber machbar. Gibt es vielleicht zu wenig gründungswillige Unternehmer:innen? Foto: Pexels (Symbolbild) Immer wieder kommt die Frage auf: Weshalb wird nicht wenigstens jeder fünfte neue Tech-Gigant à la Google oder Amazon in Deutschland gegründet? Vergleicht man die Bruttoinlandsprodukte (BIP) von den USA und Deutschland, müsste sich genau dieser Wert ergeben. Die ernüchternde Realität ist: Wir verlieren dieses Spiel derzeit zu null. Seit der Gründung von SAP, die immerhin schon 50 Jahre zurückliegt, hat Deutschland kein global führendes Tech-Unternehmen mehr hervorgebracht – auch wenn wir, ganz vielleicht, mit Celonis gerade einen ersten Nachfolger sehen. Diese Feststellung ist besonders überraschend, wenn man sieht, dass die technologische Basis für erfolgreiche Startups in Deutschland nach wie vor an der Weltspitze rangiert: Mit 2,9 Prozent liegt der Anteil am BIP, der hierzulande in Forschung und Entwicklung investiert wird, sogar über jenem in den USA (2,7 Prozent). Bei wissenschaftlichen Veröffentlichungen und Patentanmeldungen sieht das Bild nicht schlechter aus. An einer mangelnden Verfügbarkeit innovativer Technologien kann es also nicht liegen. „Es fließt vergleichsweise wenig Geld in deutsche Startups. Das Verhältnis im Vergleich zu den USA bezogen auf das BIP liegt bei 1 zu 82.“ Bleiben zwei weitere Erklärungen: Gibt es vielleicht zu wenige gründungswillige Unternehmer:innen oder stellen wir zu wenig Wachstumskapital zur Verfügung, um gründungswillige Unternehmer:innen zu finanzieren? Ein Blick auf die Statistik zeigt: Es fließt vergleichsweise wenig Geld in deutsche Startups. Das Verhältnis des in sie investierten Risikokapitals gegenüber dem Wert in den USA liegt bezogen auf das BIP bei 1 zu 8. Für deutsche Startups steht per Capita also nur 12,5 Prozent des Wagniskapitals zur Verfügung, das US-amerikanische Startups abrufen können. Das Verhältnis des „Entrepreneurship Ratio“ als Indikator für die Verfügbarkeit latenter Unternehmer:innen in beiden Ländern liegt bei rund 1 zu 2. Und da ist noch die Frage offen, ob dieser Unterschied nicht auch durch das mangelnde Kapital verursacht wird. In jedem Fall müssten wir aber erst mal das zur Verfügung stehende Wachstumskapital vervierfachen, bevor Unternehmer:innen zum Engpassfaktor werden könnten. Damit ist die logische Schlussfolgerung: Herausragende Technologien und Geschäftskonzepte „Made in Germany“ schaffen es heute also hauptsächlich deswegen nicht an die Weltspitze, weil sie unterfinanziert bleiben. In Zeiten des ersten Wirtschaftswunders war das anders. Im Schnitt wurden damals jährlich zwischen drei und vier Prozent des BIP als Wachstumskapital an neue innovative Industrieunternehmen vergeben. Eine zentrale Rolle spielten dabei die vielen Mittelstandsbanken, die das nötige Kapital in Form von Unternehmenskrediten bereitstellten. Drei Startups, von denen wir hören werden – zusammengestellt von Earlybird Venture Capital 1. Greenbytes Greenbytes bietet eine Software für Restaurants zur Vorhersage von Bestellvolumen. Ein Drittel aller Lebensmittel wird weggeschmissen – alleine 240.000 Tonnen in Europa pro Tag –, ein sehr großer Anteil davon in Restaurants. Diesem Problem haben die Gründerinnen von Greenbytes um CEO Renata Bade Barajas den Kampf angesagt! Ihre KI-gestützte Software unterstützt Restaurants bei der Vorhersage ihrer Bestellvolumen und berücksichtigt dabei nicht nur restaurantspezifische, sondern auch externe Faktoren wie Wettervorhersagen oder Ferienkalender. USP KI-basierte Vorhersage von Bestellvolumen für Restaurants und die Gastronomie. Markt Lebensmittelverschwendung verursacht jährliche Kosten von 146 Milliarden Euro. Team Greenbytes hat seine Mitarbeiter:innen in Island sitzen. 2. Plan A Plan A bietet eine Software, mit der Unternehmen ihr ESG-Reporting automatisieren können. Kund:innen setzen es voraus, Finanzinvestor:innen fordern es ein, und der Regulator schreibt es vor: Unternehmen sind immer mehr unter Druck, ihren CO2-Fußabdruck zu dokumentieren und zu reduzieren. Bei diesem Unterfangen unterstützt Plan A von Lubomila Jordanova. Das Softwareunternehmen hilft seinen Kund:innen nicht nur beim voll automatisierten Berechnen und Überwachen des CO2-Fußabdrucks, sondern schlägt auch direkt Möglichkeiten zum Offsetting und Maßnahmen zum CO2-Einsparen vor. USP Ganzheitliches Angebot von Analyse bis Offsetting. Markt Sustainability-Management-Software allein ist ein Milliardenmarkt. Team Plan A hat seinen Hauptsitz in Berlin. 3. The Lowdown The Lowdown ist eine Full-Service-Plattform für Female-Health-Themen – aktueller Fokus: Verhütung. Intransparenz über Nebenwirkungen, unzureichende Beratung oder schwere Zugänglichkeit – das sind nur einige Gründe, warum viele Frauen mit dem Informationsangebot rund um das Thema Verhütung unzufrieden sind. Alice Pelton und Marija Ziterbart wollen das ändern: Sie stellen ihren Userinnen Tools zur Identifikation der besten Verhütungsmethoden und -mittel, telemedizinische Beratung sowie die Verschreibung von Verhütungsmitteln digital zur Verfügung. USP Umfassendes Service- und Informationsangebot zu Female Health. Markt Women’s Healthcare ist ein 440-Milliarden-Euro-Markt (Verhütungsmittel: 6 Mrd.). Team The Lowdown hat sein Büro in London. Heute ist die Situation eine etwas andere: Waren es früher Industrieunternehmen, sind es heute vor allem innovative Unternehmen aus der Digital- oder Biotech-Industrie, die neu entstehen und für Wachstum sorgen. Für die mögliche Besicherung von Bankkrediten entsteht daraus ein Problem: Die Vermögenswerte dieser Tech-Unternehmen bestehen vor allem aus Wissen und Rechten – etwas, das finanziell schwer bewertbar ist. Viele Banken können den Wert dieser neuen, „intangiblen“ Vermögenswerte häufig nicht gut genug beurteilen. Folglich fallen die typischen Mittelstandsbanken mit fortschreitender Digitalisierung als Quelle für Wachstumskapital zunehmend aus. In dieses Vakuum stoßen nun Business Angels und Venturecapital-Fonds. Sie stellen den neuen Innovationsführer:innen Wachstumskapital in Form von Eigenkapital zur Verfügung. Anders als in den USA entstand diese neue Finanzierungsquelle in Deutschland leider zeitverzögert und hinterlässt daher bis heute eine wesentliche Lücke. Was alles möglich wäre, zeigt folgendes Gedankenexperiment: Würden wir heute, wie in den 1950erbis 70er-Jahren, wieder drei Prozent des BIP als Wachstumskapital zur Verfügung stellen, entspräche das einer jährlichen Investitionssumme von rund 100 Milliarden Euro. Mit dieser Summe würden wir per Capita sogar das heutige Niveau der USA übertreffen und könnten, einer neuen McKinsey-Studie zufolge, bereits bis 2030 neue Tech-Unternehmen entstehen lassen, die 20 Prozent mehr wert wären als der heutige DAX 40 zusammen. „Das nötige Investment von acht mal 100 Milliarden Euro wäre also sehr gut angelegt und würde unsere Volkswirtschaft einmal runderneuern.“ Zusammengenommen läge der zu schaffende Unternehmenswert gemäß der Studie bei 2,3 Billionen Euro. Das dafür nötige Investment von acht mal 100 Milliarden Euro wäre also sehr gut angelegt und würde unsere Volkswirtschaft einmal runderneuern. Ein neues Wirtschaftswunder wäre die Folge: ein Wirtschaftswunder 2.0! Das wäre machbar. In den letzten zehn Jahren ist das investierte Wachstumskapital in Deutschland bereits von zwei auf 15 Milliarden Euro geklettert. Schaffen wir es, dieses Wachstum über die nächsten zehn Jahre durchzuhalten, hätten wir das Ziel erreicht. Mit den jetzigen Ansätzen wird uns das nicht gelingen. Eine Industrie, die sich wie die Venturecapital-Branche immer die innovativsten Technologien als Investitionsziele sucht, sollte auch in der Lage sein, sich selbst neu zu erfinden. Ideen und Ansätze dafür gäbe es ganz sicher. Über den Autor: Dr. Hendrik Brandis ist Co-Founder und Partner beim Venturecapital-Fonds Earlybird. Sein Interessenschwerpunkt liegt auf techgetriebenen Geschäftsmodellen. Für STRIVE analysiert er in seiner Kolumne regelmäßig die Startup-Welt.

  • Wie Diversity Talente binden kann

    Kolumne | Vielfalt in Unternehmen ist der Anfang, nicht das Ziel. Um Talente zu halten und zu gewinnen, brauchen wir mehr Drive in Richtung Inclusive Leadership. Diverse Teams sind kreativer und innovativer und performen besser. Foto: Pexels Ein neues Gespenst geistert durch die Welt: die „Great Resignation“. In den USA ist seit dem Jahr 2021 die größte Kündigungswelle der Geschichte im Gange – und sie schwappt zunehmend auf auch auf Deutschland über. 42 Prozent der deutschen Arbeitnehmer:innen wollen innerhalb der nächsten drei Jahre ihren Job wechseln. Die Wechselwilligkeit ist somit in Deutschland erstmals höher als in den USA (siehe hier ). Besonders interessant dabei: Diese Menschen sind sehr divers und nicht der privilegierte Durchschnitt; Menschen nicht-weißer Hautfarbe, ältere Menschen, Menschen mit religiöser Zugehörigkeit abseits des Mainstreams und Menschen mit nicht-heterosexueller Orientierung. Sie möchten jenseits von belastenden und unflexiblen Bedingungen arbeiten. 84 Prozent der weltweit Befragten des McKinsey Global Survey erlebten demnach wegen Diversity am Arbeitsplatz Mikroaggressionen von Kolleg:innen und Führungskräften. Also kleine Sticheleien, kränkende Witze oder andere Übergriffigkeiten. Fast die Hälfte aller Befragten fühlte sich nicht sonderlich ins Unternehmen integriert („included“). Doch was bedeuten diese oft und manchmal synonym verwendeten Schlagworte genau? Während Diversity zeigt, wie die Mitarbeitenden aufgestellt sind, bedeutet Inclusion, aktiv zu werden und Maßnahmen für Zugehörigkeit zu etablieren. Bildlich gesprochen: Diversity lädt alle auf die Party ein – Inclusion aber sorgt dafür, dass alle auf der Party sich trauen, die Musik auszuwählen und mitzutanzen. Gender-Gerechtigkeit ist nicht genug Nehmen wir das in Deutschland am meisten diskutierte Beispiel der Gender Diversity. Ich berate Topmanager:innen und das sind meist weiße Männer um die 45+ mit Hochschulabschluss und aus Akademikerfamilien. Ich weise sie darauf hin, dass es wichtig ist, nicht fortlaufend „Mini-Me“ Doubles zu befördern. Denn wir umgeben uns ganz automatisch mit Menschen, die uns ähnlich sind und uns bestätigen. Das nennen wir in der Wirtschaftspsychologie „Mini-Me Effekt“ oder auch Status-Quo Bias. Wir möchten das Vertraute und Gewohnte beibehalten. Solche unbewussten Unconscious Biases verhindern Geschlechter-Diversität in den Führungsetagen (mehr lesen Sie hier ). Doch so wichtig Gendergerechtigkeit ist, sie ist „nur“ eine Dimension von Diversity. Denn mal ehrlich: wenn wir von Frauen im Vorstand sprechen, meinen wir gemeinhin weiße Frauen mit akademischer Ausbildung aus der oberen Mittelschicht. Wir meinen damit nicht die afrikanische Immigrantin oder die LGBQT-Aktivistin mit türkischen Wurzeln. Auch das darf sich dringend ändern. Vielfalt ist komplex – und nur mit Inclusion effektiv Die Charta der Vielfalt , die bisher von rund 4600 Unternehmen und Institutionen in Deutschland unterzeichnet wurde, beschreibt u. a. auch äußere Faktoren wie den Bildungsabschluss, soziale Herkunft, das Einkommen, religiöse und sexuelle Orientierung und den Familienstand. Vielfalt ist also deutlich komplexer als gemeinhin diskutiert. Für nachhaltigen Wandel im Unternehmen muss eine kritische Masse neu handeln und denken. Hier aus Unternehmenssicht tiefer einzutauchen, zahlt sich aus. Zahlreiche Studien belegen, dass Diversity bzw. Vielfalt ein Erfolgsfaktor ist: Diverse Teams bilden verschiedenste Kundensegmente ab, bringen unterschiedlichste Perspektiven und Erfahrungen in Projekte ein, sind kreativer und innovativer und performen besser, wie u.a. die McKinsey-Studie „ Diversity wins: How inclusion matters“ zeigt. Das Thema boomt also, aber Achtung. Oberflächlich und als Marketingshow umgesetzt, kann Diversity nach hinten losgehen. Wie Inclusive Leadership wirkt Und hier kommen die Führungskräfte ins Spiel. Sie sind laut Studien hauptverantwortlich dafür, dass es nicht beim Diversitätsschaulaufen bleibt, sondern echte Inklusion gelebt wird. Eine Studie des Harvard Business Review zeigt, dass von Inclusive Leaders geführte Teams besser zusammenarbeiten und bessere Entscheidungen treffen. Zugehörigkeit ist einer der stärksten Motivatoren. Inclusive Leaders erkennen die eigenen Vorurteile und Biases, prüfen und reflektieren ihr Verhalten regelmäßig und vermitteln allen Teammitgliedern ein Zugehörigkeitsgefühl zur Gruppe und den Wert ihres Beitrags. Inclusive Leaders stehen für offene und wertschätzende Kommunikation, decken Blind Spots auf und würdigen die Einzigartigkeit und Stärken jedes Teammitglieds. Doch wie kommen wir zu einer solchen Kultur? Mit Diversity-Trainings über das Wochenende ist es nicht getan. Bewusstseinsbildung muss tiefer ansetzen, an der inneren Haltung, also den unbewussten Glaubenssätzen und Vorurteilen andocken. Coaching kann hier eine wertvolle Stütze sein. Anders als Trainings zielt es in vertraulichem Setting direkt auf innere Haltungen und Verhaltensänderung. Gerade digital ist Coaching einfach und breit einzusetzen. Die Wirksamkeit ist messbar, auch anhand von Diversity Indikatoren. Die Entwicklung zu inklusivem Verhalten, kann aber nicht nur Führungskräften vorbehalten sein. Für nachhaltigen Wandel im Unternehmen muss eine kritische Masse neu handeln und denken. Auch Mitarbeitende sollten deshalb vom Coaching profitieren. Von der Bereicherung durch Perspektivenvielfalt und vom gestärkten Zusammenhalt profitieren Unternehmen mit Innovationskraft und erhöhter Profitabilität, genauso wie Teams und jede*r einzelne. So bleiben Mitarbeitende auch gern beim Unternehmen. Unternehmen behalten ihre Talente – und die große Resignation hat keine Chance. Über die Autorin Christina Bösenberg ist Partnerin und Führungskraft mit europäischer Verantwortung, Wirtschaftspsychologin, Business Coach, Podcasterin, Keynote Speakerin und Industry Advisory Board Member bei CoachHub - der digitalen Coachingplattform . Nach über 20 Jahren als Managerin und #womanintech in der Wirtschaft inmitten der digitalen Transformation, gilt Christina Bösenberg über deutsche Grenzen hinaus als Vordenkerin für die Arbeitswelt der Zukunft - mit KI und dem Menschen in der digitalisierten Welt. Sie versteht es, Erfolgsmuster der digitalen Welt greifbar und praxisnah zu vermitteln und verbindet dies mit Erkenntnissen der modernen Gehirnforschung als #Businesshacks und #Lifehacks . Aktuell berät Sie als Transformation Architects EMEIA bei EY.

  • Auf Vertrauen bauen

    Kolumne | Der Krieg gegen die Ukraine hat Digitalpionier Philipp Depiereux eine Sache gezeigt: Ohne einander zu vertrauen, geht es nicht. Daraus zieht er wichtige Lehren für die Art, wie wir arbeiten sollten. Es ist wichtig seinen Mitarbeiter:innen zu vertrauen und ihnen Freiheiten zu geben. Foto: Pexels (Symbolbbild) Als Putin den Krieg gegen die Ukraine startete, war für mich klar, dass auf uns eine große Geflüchtetenwelle zukommen wird. Mir war auch klar, dass wir unsere Münchener Wohnungstüre öffnen werden. Ich habe eine Familie aus der Ukraine untergebracht. Ich war zu dieser Zeit im Urlaub, den ich unterbrach, um die damals noch Fremden zu begrüßen. Ich fuhr nach München, umarmte Wildfremde, organisierte Einkäufe, bezog Betten, zeigte ihnen die Wohnung, gab ihnen Wi-Fi-Access und übergab meinen Wohnungsschlüssel. Viele empfanden das als verrückt. Ich entgegnete, dass wir in dieser Situation vertrauen müssen. Die Gäst:innen sind inzwischen Teil unserer Familie. Davon können wir in der Wirtschaft viel lernen. Was? Bei vielen Unternehmen fehlt das Vertrauen des Managements in die Belegschaft: Es vertraut den Mitarbeiter:innen im Homeoffice nicht. Zeiterfassungssysteme sind die Norm im deutschen Mittelstand. Innovationsprojekte werden in Pflichten- und Lastenheftmanier durchgeführt. Die Controllingabteilung bekommt von Innovationseinheiten und Corporate Startups ein wöchentliches Reporting. Vorgesetzte beschränken die Freiheit ihrer Mitarbeiter:innen durch Micro-Management. „Micro-Management beschränkt die Freiheit der Mitarbeiter:innen.“ Das muss aufhören! Wir müssen einander endlich Vertrauen. Denn Vertrauen ist in meinen Augen die Lösung vieler Probleme, die wir in der Unternehmenswelt haben. Knapp elf Jahre habe ich den Digitalpionier etventure geführt. Vertrauensarbeitszeit haben wir lange vor Corona eingeführt: Mitarbeiter:innen konnten arbeiten, wo und wann sie wollten. Mitarbeiter:innen, die während der Arbeitszeit an neuen Themen arbeiten wollten, konnten das in sogenannten Gilden tun. Dafür gab es Budget von einem Investor:innenkomitee, vor dem die Gilden pitchen mussten. Die Geschäftsführung wurde abgeschafft und stattdessen ein Leadership Board gegründet. Das setzte sich aus Mitarbeiter:innen zusammen, mit denen ich bisher als CEO nicht viele Touchpoints hatte. Hierarchie war hier nicht entscheidend. Für mich auch komplettes Neuland: Ich musste diesem neuen Team vertrauen, ohne es richtig zu kennen. Der Vertrauensvorschuss hat sich gelohnt, wir haben uns zum stärksten Team überhaupt entwickelt. Mitarbeiter:innen konnten innerhalb sieben definierter Core Values (Prinzipien und Einstellungen) frei Entscheidungen treffen. All diese Maßnahmen haben dazu beigetragen, dass sich etventure rasant entwickeln konnte und in Sachen Unternehmenskultur einzigartig war. Dieses Vertrauen in nicht Validiertes, nicht Erprobtes, in Disruptives und in die Mitarbeiter:innen wünsche ich mir von den deutschen Manager:innen. Über den Autor: Philipp Depiereux ist Founder und CEO des Non-Profit-Formats ChangeRider und hat das Buch „Werdet Weltmutführer“ geschrieben. Zuvor hat er – nach diversen Stationen im Mittelstand – den Digitalpionier etventure gegründet und an EY verkauft. Er ist verheiratet, hat vier Kinder und lebt in München.

  • Jede Menge Papiergeld

    Kolumne | Gehälter in Startups sind oft alles andere als üppig, mit den großen Konzernen können sie nicht immer mithalten. Juristin Sophie Pollok erklärt, wie die jungen Unternehmen trotzdem Talente gewinnen können – und welche Vorteile das hat. Um die klügsten Köpfe zu rekrutieren zu können, gewähren viele Startups ihren Mitarbeiter:innen virtuelle Geschäftsanteile (Symbbolbild) Der Venturecapital-Boom führt nicht nur dazu, dass die Bewertungen europäischer Startups Spitzenwerte erreichen. Er hat auch den netten (Neben-)Effekt, dass sich immer mehr Mitarbeiter:innen von jungen Unternehmen auf dem Papier Millionär:innen nennen können. Denn mittlerweile partizipieren nicht mehr nur Gründer:innen und Investor:innen am Erfolg der Unternehmen, sondern häufig die gesamte Belegschaft. Mitarbeiter:innenbeteiligungsprogramme sind in der Startup-Szene nicht mehr wegzudenken. Im Kampf um Talente und Expert:innen können Unternehmen mit Gehältern, die in Großkonzernen gezahlt werden, nicht mithalten. Um trotzdem die klügsten Köpfe zu rekrutieren zu können, gewähren viele Startups ihren Mitarbeiter:innen virtuelle Geschäftsanteile („VSOP“) oder die Option auf den Erwerb von Geschäftsanteilen („ESOP“) und beteiligen sie am Wachstum des Unternehmens. Dabei verpflichtet sich das Unternehmen in bestimmten Fällen, etwa beim mehrheitlichen Verkauf oder im Falle eines Börsenganges des Unternehmens, den Gegenwert der virtuellen Geschäftsanteile auszuzahlen oder die gewährten Optionen in tatsächliche Geschäftsanteile zu wandeln. „Durch die Beteiligungen sollen Mitarbeiter:innen denken wie Gründer:innen.“ Im Gegensatz zu einer Kapitalbeteiligung sind diese Modelle einfacher zu strukturieren und zu implementieren. Durch sie sollen Mitarbeiter:innen eher wie Mitgründer:innen denken: Das Ziel ist die Wertsteigerung des Unternehmens. Statt das eigene Süppchen zu kochen, steht der Unternehmenserfolg im Fokus, auch mit dem Ziel, die Beteiligung möglichst gewinnbringend zu materialisieren. Diese Rechnung geht für die Mitarbeiter:innen meist erst Jahre später auf – wenn überhaupt. Wie für Investor:innen gilt auch für die Beurteilung der gewährten Mitarbeiter:innenbeteiligung: Je früher man in ein Unternehmen einsteigt, desto höher ist das Risiko, dass sich die erhoffte Upside nicht realisiert. Dieses Risiko sollten Mitarbeiter:innen bei der Gehaltsverhandlung berücksichtigen. Hinzu kommt, dass die steuerlichen Bedingungen für Mitarbeiter:innen in Deutschland nicht optimal sind. Egal ob Optionen oder virtuelle Geschäftsanteile, bei beiden Modellen müssen Mitarbeiter:innen im Falle der Realisierung tief in die Tasche greifen. So kann eine Papier-Million schnell zusammenschrumpfen. Unterm Strich überwiegen jedoch für beide Seiten die Vorteile. Viele, die schon im Umfeld eines schnell wachsenden Startups gearbeitet haben, wissen, dass die Aussicht auf die Beteiligung am finanziellen Erfolg eine Dynamik von großem Wert kreieren kann. Mitarbeiter:innen können damit Vermögen aufbauen. Und vielleicht finanzieren die heutigen Papier-Millionär:innen bald die Ideen von morgen. Über die Autorin: Dr. Sophie Pollok (34) ist Rechtsanwältin im Bereich Venturecapital. 2019 gründete sie ihre eigene Beratung; und ist General Counsel von Choco. Das Berliner Startup digitalisiert die Food Supply Chain. Pollok ist auch Initiatorin der Initiative #stayonboard, die sich für Elternrechte von Vorstandsmitgliedern deutscher Aktiengesellschaften einsetzt.

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